Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Graugänse vor Philadelphia

Vor 25 Jahren wurde die Naturwacht Brandenburg gegründet. So weiß man mehr über Biber, Ringelnattern und Binnensalzwiesen in der Idylle.

Viele Kraniche

Die Kraniche – zum Abflug bereit in Brandenburg Foto: imago/Meike Engels

Philadelphia? In Brandenburg, bei Storkow? „Ja,“ sagt Thomas Mertke, der seit 25 Jahren bei der Naturwacht Brandenburg arbeitet. „Durch die Ansiedlungspolitik Friedrichs II. kamen Pfälzer, Schlesier und Friesen, sogenannte Kolonisten, nach Brandenburg.“ 1772 bekam das heutige Philadelphia seine Urkunde. Der ursprüngliche Name „Hammelstall“ gefiel den Kolonisten nicht. So gaben sie dem heute rund 200 Einwohner zählenden Kaff den Namen ihres eigentlichen Traums vom Auswandern: Philadelphia.

Östlich vom Dorfkern liegt das Naturschutzgebiet Luchwiesen, eine der artenreichsten Binnensalzstellen Brandenburgs – das Revier von Thomas Mertke. Er baut Nisthilfen für bedrohte Vögel wie Trauer- und Flussseeschwalben und Winterquartiere für Fledermäuse. Er misst den Grundwasserpegel, kartiert Biberreviere oder Schlingnattervorkommen. Er organisiert Jungencamps, macht Gebietskontrollen und steht im Kontakt mit Bürgern, wenn beispielsweise ein Vogel aus dem Nest gefallen ist.

Thomas Mertke ist seit der ersten Stunde dabei. Er arbeitete bis 1991 im heruntergewirtschafteten Tagebau in der Lausitz, als er die ABM-Stelle 1991 bei der nach der Wende gegründeten Naturwacht bekam. Die ersten Naturwächter erhielten tausend Stunden Ausbildung, dann konnte es losgehen. Später galt eine Prüfung zum zertifizierten Natur- und Landschaftspfleger als Eingangsvoraussetzung.

Heute, im Jubiläumsjahr, engagieren sich 92 Ranger in den 15 Nationalen Naturlandschaften des Landes. Dadurch, dass die Naturwacht Brandenburg 1997 zur Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg gekommen sei, „entstanden sichere Arbeitsplätze, wenn auch wesentlich weniger Leute heute dort beschäftigt sind,“ sagt Mertke.

Und es ist ein naturbelassenes, geschütztes Freizeitrevier für Berliner entstanden. Unspektakulär wie Philadelphia, aber artenreich wie ein Multikultigroßstadtrevier. „Und übrigens“, sagt Mertkens, „mit dem Fahrrad braucht man etwa dreißig Minuten, um von Philadelphia nach Boston zu gelangen.“

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