Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Wider die blutige Propaganda

Nach dem zweiten gezielten Anschlag auf Touristen in Tunesien bricht der Tourismus ein. Auch die Hoffnung auf Demokratie und Stabilität schwindet.

Politiker mit Blumensträußen

Die Innenminister aus Frankreich, Deutschland und Tunesien sowie eine britische Staatssekretärin sind zum Gedenken der Opfer des Anschlags von Sousse angereist. Foto: Foto: imago/UPIFoto

Eine Geschichte über die Medina von Tunis in Zeiten, wo alle Urlauber dem Land den Rücken kehren? Ja, damit der Schrecken nicht allmächtig wird und alle anderen Aspekte des Landes verdrängt. In dieser Logik agiert auch das Auswärtige Amt, wenn es nach dem sinnlosen Tod von 39 Urlaubern am Strand von Sousse keine Reisewarnung für Tunesien ausspricht, obwohl dies der zweite gezielte Anschlag auf Touristen innerhalb von drei Monaten war.

Eine allgemeine Reisewarnung berechtigt nicht nur die Urlauber zur kostenlosen Stornierung einer gebuchten Reise, vor allem stigmatisiert sie behördlich autorisiert das ganze Land.Angesichts des Schreckens bieten alle deutschen Reiseveranstalter auch ohne Reisewarnung für bereits gebuchte Reisen Stornierungsmöglichkeiten an. Die Angst der Reisenden ist berechtigt:Sie sind die auserwählten Zielscheiben fanatisierter, unberechenbarer Todessüchtiger.

Im Falle von Tunesien hat die Bundesregierung wiederholt ihre Solidarität erklärt. Tunesien soll zum Verbündeten im Maghreb gemacht werden, als Bollwerk gegen den Terrorismus, als Grenzwall für Flüchtlinge, als demokratischer Stabilitätsfaktor in einer Region, wo die politischen Strukturen einstürzen.

Das Land, dessen Industrie – das Phosphat und nun auch der Tourismus – völlig am Boden liegt, soll durch Investitionen aufgebaut werden. Tunesien rechnet nach dem tödlichen Anschlag mit mindestens 515 Millionen Dollar weniger Einnahmen aus der Tourismusbranche, rund ein Viertel weniger als im vergangenen Jahr.

Überall auf der Welt dient der naive Tourismus dem hinterhältigen Terror als Ziel. Anschläge auf touristische Einrichtungen haben zwei unschlagbare Effekte: einen politischen – sie schaden der einheimischen Wirtschaft und damit der Regierung – und einen medialen – sie bekommen große Aufmerksamkeit in der Weltöffentlichkeit.

Ohnehin ist jede Orient-Exotik von vorvorgestern. Die arabische Welt heute steht für Terror, Gewalt, Unterdrückung, Zerstörung. Aber das ist trotz alledem nur ein Teil der Realität: Doch demokratische Ansätze und Forderungen verblassen angesichts der blutigen Propaganda des Terrors.

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