Kolumbien nach dem Vertrag mit der Farc: Frieden ohne Drogen

Auf dem UN-Weltdrogengipfel lanciert die kolumbianische Regierung ein ehrgeiziges Programm zur Abkehr vom Koka-Anbau.

Ein Bauer auf einer Koka-Plantage

Angefangen wird mit 40 Gemeinden, in denen Koka die wichtigste Einnahmequelle der Kleinbauern ist Foto: reuters

WIEN taz | Kolumbien will in einem Jahr 100.000 Hektar Koka-Plantagen beseitigen – die Hälfte davon durch zwangsweise Vernichtung von Großplantagen, die andere Hälfte möglichst im Einverständnis mit Kleinproduzenten. Diesen ehrgeizigen Plan stellte Rafael Pardo Rueda, der kolumbianische Minister für Konfliktnachbereitung, am Montag im Rahmen der jährlichen UNO-Drogenkonferenz in Wien vor.

Bei der 60. Sitzung der UNO-Drogenkommission, die Montag in Wien begann, sind neue Wege bei der Bekämpfung von Drogen und Drogensucht ein Thema. So sollen zwar die großen Drogenbosse mit aller Härte verfolgt, geringere Vergehen aber nicht zwingend mit Haftstrafen geahndet werden, regte Juri Fedotow, der Direktor des UN-Büros für Drogen und Verbrechen (UNODC), in seiner Eröffnungsrede an.

Was die kolumbianische Regierung mit der Farc-Guerilla im Rahmen des jüngst unterzeichneten Friedensabkommens ausgehandelt hat, passt perfekt in diese neue Politik, die in vielen anderen Teilen der Welt noch auf Skepsis trifft. Der Plan der kolumbianischen Regierung zur Abkehr von der Drogenökonomie ist ein zentraler Punkt des Friedensabkommens.

In diesem Jahr, so Pardo, wolle man sich auf 40 Gemeinden konzentrieren, wo der Koka-Anbau die wichtigste Einnahmequelle der Kleinbauern ist. Wer seine Plantagen freiwillig vernichtet, kann mit staatlicher Unterstützung rechnen: Ein Jahr lang umgerechnet 340 US-Dollar monatlich, dazu Unterstützung beim Anbau von Alternativprodukten. Straßenbau, Errichtung von Kliniken und Schulen und die Erschließung von Märkten sollen die Transformation der Koka-Gebiete ergänzen und gleichzeitig Jobs für die Übergangszeit anbieten.

Ausgeschlossen vom Programm sind jene, die neue Felder angelegt haben, um in den Genuss der staatlichen Beihilfen zu kommen. Felder von Bauern, die die Vereinbarungen nicht einhalten, und große Plantagen sollen zwangsweise abgeholzt werden.

Auf die Frage, was passiert, wenn die Regierung ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, gibt es keine befriedigende Antwort. „Das darf nicht passieren“, sagt Präsidentenberater Eduardo Díaz Uribe zur taz: „Wenn der Friedensprozess scheitert, scheitert das Land.“ Er gibt aber zu, dass eines der größten Probleme darin liege, das Vertrauen der Gemeinden zu gewinnen, die jahrelang weit abseits staatlicher Kontrolle oder sogar im Widerstand gegen den Staat gelebt haben.

Annahmen der Anbauflächen zu optimistisch?

In Bolivien habe es viele Jahre gedauert, bis die Koka-Bauern die Drogenpolizei nicht als feindlichen Eindringling, sondern als Verbündeten gegen die Drogenmafia akzeptiert haben, sagt Drogenexperte Robert Lessmann. Das Ziel von 100.000 Hektar, die in einem Jahr durch legale Kulturen wie Kakao, Kaffee oder Pfeffer ersetzt werden sollen, hält er für unrealistisch: „Das hat noch nie irgendwo auf der Welt geklappt.“

Den schönen Power-Point-Folien von Minister Pardo traut auch Coletta Youngers vom US-Thinktank Washington Office on Latin America (Wola) nicht über den Weg. Sie weiß von Gemeinden, die ein Abkommen mit der Regierung geschlossen haben und trotzdem Ziel von Zwangseradikation gewesen sind: „Offenbar gibt es da eine Entkopplung von Ministerien, die das Friedensabkommen umsetzen wollen, und Sicherheitskräften, die den Prozess sabotieren“.

Wer seine Plantagen freiwillig vernichtet, kann mit staatlicher Unterstützung rechnen

Gleichzeitig gibt es Berichte, dass Gebiete, die von den Farc geräumt wurden, jetzt von kriminellen oder paramilitärischen Banden übernommen wurden. „Die finden ein gemachtes Nest vor“, sagt Berater Díaz Uribe. Rafael Pardo bestreitet diese Meldungen: „Die Armee hat 80.000 Mann mobilisiert, um die Kontrolle zu übernehmen. Finden Sie das zu wenig?“

Zu optimistisch dürften die Annahmen der Anbauflächen sein. Während Minister Pardo auf einen Zensus von 2015 verweist, wonach 96.000 Hektar mit Koka-Kulturen bepflanzt seien, hat die US-Drogenbehörde gerade einen neuen Bericht veröffentlicht, der für 2016 von 188.000 Hektar ausgeht. Für die Zunahme macht Kolumbiens Rechtsopposition Präsident Juan Manuel Santos verantwortlich, der vor zwei Jahren die Luftbesprühungen mit dem giftigen Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat ausgesetzt hat.

Fast 20 Jahre chemische Zwangseradikation hatten aber ebenfalls nachteilige Auswirkungen: Bauern, die auch ihre legalen Produkte vernichtet fanden, arbeiteten sich mit ökologisch verheerenden Folgen tiefer in den Urwald vor.

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