Kohleproteste 2017: Wie damals im Wendland

Mit einem „Flächenkonzept“ wollen Kohle-Gegner im kommenden Jahr das Rheinland erobern. Ihr Vorbild: Die Castor-Proteste im Wendland.

AktivistInnen der Organisation Robin Wood protestieren 2016 in der Lausitz gegen Braunkohle

Rumhängen für den Kohleausstieg: AktivistInnen 2016 in der Lausitz Foto: dpa

BERLIN taz | Damals, an den kalten Novembertagen bei Lüchow und Dannenberg, war es ja so: Im Wald schlichen die Vermummten umher und verbarrikadierten die Schienen mit schwerem Gerät; ein paar Kilometer weiter saß die Kirchengemeinde auf den Schienen und sang. Die Bauern blockierten die Straßen; und ab und an kam über Wasser, über Felder oder aus der Luft eine Überraschungsblockade von Greenpeace daher. Das waren die alten Castor-Tage: große Protestkunst. Doch die Castoren rollen nicht mehr.

Mit einem Protestkonzept wie im Wendland sollen nun künftig Kohlegruben und Industrieanlagen in Nordrhein-Westfalen blockiert werden. Treffpunkt: August 2017 im Rheinland. Das sind die Pläne, über die an diesem Wochenende Klimaaktivistinnen und -aktivisten aus ganz Deutschland in Köln beraten wollen. Ihr Vorhaben: Nach den massiven Anti-Kohle-Protesten in der Lausitz (Schlachtruf: „Ende Gelände“) soll die Anti-Kohle-Bewegung im kommenden Jahr endgültig eine neue Dimension des Protests entfalten.

Die Vorgeschichte: Im August 2015 stürmten in Garzweiler erstmals rund 1.000 Klimaaktivisten eine Kohlegrube im Rheinland und gaben damit dem massenhaften zivilen Ungehorsam ein neues Gesicht. Die Kulisse des Tagebaus taugte nicht nur zur medialen Inszenierung, sondern auch zur moralischen Aufladung.

2016 nahm diese Protestform in der Lausitz eine neue Dimension an, die Bewegung feierte ihren „Castor-Moment“. Während der Pfingstfeiertage hatten bis zu 4.000 Menschen den brandenburgischen Tagebau Welzow gestürmt, Kohlebagger, Schienen und Förderanlagen besetzt, anschließend das Gelände eines Kohlekraftwerks gestürmt. Das Kraftwerk wurde fast vom Netz genommen. Die Anti-Kohle-Bewegung, die nach dem beschlossenen Aus der Atomenergie stetig größer wurde, feierte einen fast historischen Erfolg. Daran will sie nun anknüpfen.

Rückenwind für AktivistInnen

Im Monatsrhythmus treffen sich derzeit AktivistInnen, um über die Pläne für 2017 zu befinden. In Köln soll am Wochenende das Konzept festgelegt werden. Dabei spüren die AktivistInnen inzwischen so viel Rückenwind, dass sie erwägen, ihre Proteste in einem „Flächenkonzept“ à la Wendland umzusetzen. Das ist riskant und zeugt von Selbstbewusstsein: Im Wendland dauerte es Jahre, bis die vielen Akteure zu einem strategischen Protestkonzept fanden, das an Feldherrenkunst erinnerte.

Am Ende ging dies so weit, dass AktivistInnen die Landkarte unter sich aufteilten – damit Familien nicht aus Versehen zwischen die Fronten von Polizei und Autonomen gerieten. Nebeneffekt: So konnte sich auch die Polizei besser auf das Szenario einstellen und für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Mittel anwenden.

Als Vorbild taugen den Anti-Kohle-AktivistInnen die Castor-Proteste

Das Konzept ging auch auf, weil immer wieder Tausende Menschen aus ganz Deutschland anreisten und sich auf einen inhaltlichen Konsens einigen konnten: gegen Atom. Inzwischen nimmt bei vielen die Kohle diesen Rang ein. Im Rheinland, wo in zahlreichen Tagebauten täglich Tonnen von Kohle abgebaggert und weiterhin ganze Orte umgesiedelt werden, sind viele Akteure unterschiedlicher Art in den Konflikt eingebunden.

„Es war immer die Stärke im Wendland, dass dort ganz unterschiedliche Protestformen nebeneinander sichtbar wurden. Daran wollen wir gern anknüpfen“, sagt etwa Milan Schwarze von der Anti-Kohle-Initiative ausgeco2hlt, die derzeit an den Vorbereitungen beteiligt ist. Nun müsse geklärt werden, ob es genügend Zutrauen und unterschiedliche Ansätze gebe, um ein solches Konzept umzusetzen.

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