Kochshow in Israel: Die Küche des Konvertiten

Der Star der beliebtesten Kochshow Israels stammt aus dem Rheinland: Mit seiner koscheren Forelle steht Tom Franz im Finale.

„Du bist ja wohl nicht ganz koscher!“ – „Du kannst mir gar nichts sagen, du bist genau so tot wie ich.“ Bild: dioxin / photocase.com

ERFTSTADT taz | So wie Tom Franz mit Löffel und Gabel das Mahl garniert, sieht er aus wie ein Maler, der mit seinem Pinsel über ein Bild streicht und ihm die letzten Farben verpasst. Das Forellenfilet liegt jetzt vor ihm auf dem Teller, geflochten wie Brot am Sabbat. Franz drapiert die Kartoffelscheiben in einem Ring um den Fisch. Dann gießt er einen Schuss Meerrettichsauce mit Mayonnaise und Orangensaft darüber.

Tom Franz, 39, groß, die lockigen Haare zurückgebunden, will in die nächste Runde. Franz ist Hobbykoch und tritt gerade in der israelischen Reality-Show „Masterchef“ auf, vier israelische Juroren stehen bereit, um den Deutschen und seine Kreation zu prüfen: Geräucherte Forelle mit Kartoffelsalat, koscher, versteht sich.

Es ist Herbst 2012 und „Masterchef“-Vorrunde, ein TV-Studio mit Backsteinwänden und Küchentheke. Franz wirkt nervös, beeilt sich, bei jedem Lob zu nicken und artig ein „Danke“ hinterherzuschieben.

Entspannter hört er sich einige Wochen später am Telefon an – und im Wissen, dass er die Endrunde erreicht hat, die Israels Sender Channel 2 am kommenden Dienstag live ausstrahlt. Seine Stimme ist heiser, der Produktionstag war lang. „Ich höre mich nicht immer wie Al Pacino an“, sagt Franz, und klar könne man sich treffen, Anfang Januar komme er mit Frau und Sohn nach Hause, um seine Eltern zu besuchen. In Erftstadt-Lechenich, nahe Köln.

Hier, wo sich flache Einfamilienhäuser aneinanderreihen, weiße Holzzäune die Vorgärten umfassen und sie ihn nicht Tom – wie in Israel –, sondern Thomas nennen. Bis auf das Finale ist die Show zu Ende gedreht, Franz könnte Saft trinken in seinem Sessel und die „Halle des Bergkönigs“ aus Peer Gynt genießen, die aus den Boxen tönt. Stattdessen hat er eine DVD ausgepackt und zeigt Szenen aus der Vorrunde.

„Essen ist intimer als Sex“

Also ist er da wieder, der Moment, als sich Kritikerin Michal Ansky seinen Fisch auf ihre Gabel lädt. Bei der Konferenz Ted X in Jerusalem, bei der Experten aus Technik, Unterhaltung und Design ihre Ideen austauschen, hatte sie kürzlich gesagt, Essen sei intimer als Sex. Im Studio schwärmt sie nun: „Du bist unsere Hoffnung, dass koscheres Essen Michelin-Niveau erreichen kann.“ Sie meint den Guide Michelin, den Hotel- und Reiseführer, der jährlich erscheint – und Einfluss auf die Gastrobranche hat.

Franz grinst. Keiner der Zweifel, die man ihm jüngst noch ansah, scheinen mehr an ihm zu haften. „Ich glaube tatsächlich“, sagt er und gestikuliert ausladend, „dass man innerhalb der Grenzen koscherer Küche exzellente Gerichte machen und besten Geschmack erzeugen kann.“

Ausgerechnet ein Konvertit aus Deutschland will der koscheren Küche das geben, was ihr bisher fehlt? Kulinarische Bedeutung, weltweite Anerkennung, Lob der Gourmetkritik?

Michelin-Niveau! Das allein dürfte eine ordentliche Herausforderung werden, die Sternchenvergebenden hinterlassen bei ihren Restauranttests zwar eine Landkarte des Genusses, die sich wie ein Feinschmecker-Atlas aus den USA, Europa, Japan und China liest. In den Nahen Osten aber hat sich noch kein Kritiker aus dem Michelin-Hause verirrt, aus der Region gibt es so gut wie keinen Guide-Restaurantführer.

Die Menschen in Israel essen gern

Noch dazu: Wer in Israel anspruchsvolle Küche probieren will, geht meist in unkoschere Restaurants. In Tel Aviv gibt es davon viele, und viele sagen, sie seien die besten des Landes. Sollte Franz nach der Sendung wirklich einen koscheren Nobelladen eröffnen und sich damit Chancen errechnen, dann deshalb, weil die Menschen in Israel gern essen – egal was das Portemonnaie gerade so hergibt. Die Liebe zum Essen stammt aus der jüdischen Geschichte: Man isst, weil man überlebt hat. „Christen speisen gut an Weihnachten“, sagt Franz. „Wir Juden tischen jeden Sabbat auf.“

Kommt aus Erftstadt und wohnt in Tel Aviv: Tom Franz, kochender Teilnehmer der Castingshow „Masterchef“. Bild: privat

Franz war selbst mal Christ. 1989 kommt er das erste Mal nach Israel, ein einfacher Schüleraustausch. Als er zurückkehrt, isst er kein Schweinefleisch mehr. Bis er tatsächlich zum Judentum konvertiert, vergehen aber noch ein paar Jahre – und ein Jurastudium.

Franz ist Anfang dreißig, als er sein Leben nach Israel verlegt und seine zukünftige Frau auf der Straße anspricht. Dana arbeitet in der PR-Branche, ihre Kunden kommen aus der Gastronomie, ihre Arbeit führt das Paar von Restaurant zu Restaurant. Zu zweit lassen sie sich sämtliche Gerichte auftischen, die sie probieren können, und Tom Franz profitiert. Für ihn ist die Esstour blanke Weiterbildung.

„Was ist da drin?“

„In jedem Restaurant habe ich die Köche gefragt: Wie macht ihr das? Was ist da drin? Zu Hause habe ich nachgekocht. So ist mein Repertoire gewachsen“, sagt er, und dass er über einen Vorteil verfüge: Er könne sich völlig frei entfalten. Ohne dass ihm die Familie eigene Traditionen aufzwängen wolle. „Meine Mutter und Großmutter können mir beim koscherem Kochen nicht reinreden. Ich bin nicht in dieser Küche erzogen worden.“

Ganz nimmt man ihm eine solche Autonomie nicht ab, bei all der Hausmannskost, die er mit an den Herd bringt – und von katholischen Eltern gelernt hat. „Daheim haben wir das immer an Heiligabend gegessen“, sagt Tom Franz, „Kartoffelsalat mit geräuchertem Fisch.“

Auch wenn hierzulande die wenigsten seine zwölf Kartoffelscheiben, die er bei „Masterchef“ vorgeführt hat, als Salat bezeichnen dürften: Gerade wegen dieser Kartoffeln sei er so gelobt worden, behauptet er.

Beweise, bitte? Franz hat die Szene parat. „Sie haben die richtige Temperatur, ich hatte nie etwas Reineres im Munde“, jubelt da ein Juror, als die Kartoffelscheibe geschluckt ist. „So sieht der Teller aus, der den ersten Platz dieser Staffel gewinnen sollte“. Und, das muss man schon eingestehen, den Reibekuchen mit Apfelmus und Rübensauce, den er da noch so konzentriert zubereitet, hätte man wirklich gerne mal gekostet.

Acht Millionen Einwohner, eine Million Zuschauer

„Ich hab das nicht gebraucht: Im Fernsehen zu erscheinen und mich vor einem TV-Publikum mit anderen Leuten zu messen“, antwortet Franz, gewohnt lässig, auf die Frage, warum er zwei Staffeln „Masterchef“ verstreichen ließ, bis er sich selbst angemeldet hat. Überhaupt sei das Danas Schuld, sie war eine von einer Million Zuschauern, die nach Senderangaben bei „Masterchef“ einschalten und mitfiebern – in einem Land mit knapp acht Millionen Einwohnern. Dana habe ihn eine Weile schon in die Sendung schleppen wollen. Beim dritten Versuch gab Franz ihren Bitten nach.

Das ist dann die Stelle, bei der Franz’ Gelassenheit doch kurz abfällt und sein Ton wechselt. Das letzte Jahr sei viel gewesen, das Lob der Kritiker Segen und Bürde zugleich, er erzählt jetzt von dem Leistungsdruck und seiner Angst, das hohe Niveau bis zum Finale nicht steigern zu können.

Und, was um einiges schwerer wiege, seine Frau Dana zog sich nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes eine Blutvergiftung zu. Zwei Monate hätte er um sie gebangt, und, als es ihr besser ging, gedacht, man müsse eben ausprobieren, wonach einem sei.

Während einer Sendung hat Franz übrigens ein Detail über seine Frau erzählt, auf das sich die Marketingchefs freudig stürzen werden. „Als ich das erste Mal für Dana gekocht habe“, hat er erzählt, „musste sie weinen.“ Einer seiner Kritiker hat den Spruch bereits aufgegriffen, nachdem er Franz’ zwölf Kartoffeln mitsamt Fisch versucht hatte. Und im Anschluss dann gesagt: „Ich weiß jetzt, warum.“

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