Koalitionsstreit um Mindestlohn: Ausnahme für Langzeitarbeitslose

Bundesarbeitsministerin Nahles hat einem Kompromiss im Streit um den Mindestlohn zugestimmt. Langzeitarbeitslose werden sechs Monate davon ausgenommen.

Jetzt kann dem Gesetzesentwurf von Nahles zugestimmt werden. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro steht nichts mehr im Weg. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch in Berlin den entsprechenden Gesetzentwurf, nachdem sich die Große Koalition auf eine weitere Ausnahme geeinigt hatte.

Demnach sollen künftig alle Langzeitarbeitslosen in den ersten sechs Monaten auf einer neuen Stelle keinen Anspruch auf 8,50 Euro brutto in der Stunde haben. Bisher war geplant gewesen, Langzeitarbeitslose nur dann vom Mindestlohn auszunehmen, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitsamt Lohnkostenzuschüsse erhält. Dies betraf rund 16.000 Personen. Unter die neue Regelung werden jetzt potenziell deutlich mehr Menschen fallen: Zuletzt galten offiziell eine Million Personen als langzeitarbeitslos. Dazu zählt, wer ein Jahr lang keine Beschäftigung hatte.

Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte die neue Ausnahme. Es sei eine „ausgewogene Lösung, die Langzeitarbeitslosen eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt bauen kann“. Auf den Einwand, Arbeitgeber könnten dazu verleitet werden, Langzeitarbeitslose nach sechs Monaten immer wieder zu entlassen, um sich die Zahlung des Mindestlohns zu ersparen, antwortete sie: „Das kann ich im Einzelfall nicht ausschließen, ich glaube aber nicht, dass das zu einem größeren Problem wird.“ Anfang 2017 will die Bundesregierung die Wirkung jedoch überprüfen.

Nahles bezeichnete das Gesetz als „Wendepunkt“: „Ab jetzt ist Arbeit keine Ramschware mehr.“ Die Löhne von 4 Millionen Beschäftigten würden unmittelbar verbessert. Sozialverbände, Gewerkschaften und die Oppositionsparteien übten jedoch Kritik an der neuen Ausnahmeregelung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von „übler Diskriminierung“ und dem Einstieg in einen „Zwei-Klassen-Arbeitsmarkt“. DGB-Vorstandsmitglied Reiner Hoffmann sagte, die Ausnahme sei willkürlich, diskriminierend und widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Linkenpolitiker Klaus Ernst bezeichnete das Gesetz von Union und SPD als „faulen Kompromiss“.

Bundestag und Bundesrat sollen nun im Sommer respektive Herbst den Mindestlohn beschließen, der weitgehend ab 2015, spätestens aber ab 2017 für alle Branchen Pflicht ist.

Die neue Lohnuntergrenze gilt allerdings nicht für Jugendliche unter 18 Jahren, für Auszubildende oder ehrenamtlich Tätige. Auch junge Erwachsene, die ein Pflichtpraktikum in der Schul-, Ausbildungs- oder Studienzeit oder ein freiwilliges berufsorientierendes Praktikum von weniger als 6 Wochen absolvieren, haben keinen Anspruch auf 8,50 Euro.

Das Gesetz schreibt nicht nur den Mindestlohn fest. Es vereinfacht auch den Weg, um weitere Branchenmindestlöhne von über 8,50 Euro festzulegen. Sie gelten dann auch für Beschäftigte, die vorübergehend zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Zudem wird es einfacher, einzelne Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären.

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