Knapper Wohnraum: Wer mietet, dem droht Armut

Das Armutsrisiko für Mieter*innen ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Union und SPD müssen mehr gegen die Wohnungskrise tun.

Ein Transparent hängt aus einem Fenster. Auf ihm steht: „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4“

Leerstehende Häuser trotz Wohnungsnot: Besetzt wurde nicht nur am Sonntag in Berlin, sondern auch Anfang Mai schon in Stuttgart Foto: Imago/Arnulf Hettrich

BERLIN taz | Wer mietet, dem droht Armut. Dem Mietenwahnsinn bescheinigen Forscher*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nun gravierende Folgen. Die Armutsrisikoquote für Mieter*innen lag demnach 2015 bei knapp 29 Prozent, zitiert der Spiegel aus einer DIW-Studie, das entspricht einer Steigerung von mehr als 50 Prozent innerhalb der vergangenen 25 Jahre. Zum Vergleich: Besitzer*innen von Wohnraum tragen ein Armutsrisiko von nur rund 4 Prozent. Diese Quote hat sich auch in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum verändert.

Laut Studie trifft der Mietenwucher vor allem Menschen bis 35 Jahre hart. Während ihrer Ausbildung oder am Anfang ihres beruflichen Werdegangs leiden sie besonders unter den hohen Preisen. Arm oder armutsgefährdet ist – nach offizieller Definition – der, dem 60 Prozent oder weniger des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen. Knapp 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens gehen im Schnitt für die Miete drauf. Tendenz steigend, je nach Region, Wohnangebot – und Nachfrage.

Für mehr Wohnraum und gegen explodierende Mieten trommelten alle Parteien im Wahlkampf im vergangenen Jahr. Im Koalitionsvertrag einigten sich Union und SPD dann auf verschiedene Maßnahmen, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. So sollen Länder und Kommunen künftig mehr Bauland ausweisen, um darauf Häuser und Wohnungen zu bauen. Auch bundeseigene Immobilienanbieter wie etwa die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) sollen zugunsten der geplagten Mieter*innen ihre Anlagen weitergeben – und nicht wie bisher an den meistbietenden Investor. Der politische Plan: Am Ende dieser Legislatur wollen Union und SPD rund 1,5 Millionen Wohnungen gebaut haben.

Lasche Maßnahmen von SPD und Union

Ob dieses Ziel erreicht werden kann, das sehen Bauindustrie und Mieterbund skeptisch. Zu viele Auflagen, zu viel Planungsaufwand und hohe Preise für Baumaterialien und Bauland bremsen die Euphorie der Baubranche. Der Deutsche Mieterbund kritisiert die laschen Gesetzesänderungen, die die Große Koalition umsetzen will. Allein Mieterhöhungen nach einer Modernisierung von 11 Prozent auf 8 Prozent zu senken, sei nicht ausreichend. Auch die sogenannte Mietpreisbremse müsse angeschärft werden, sagen die Mieterschützer.

Sie fordern etwa Sanktionen, wenn Vermieter gegen die Auflagen verstoßen. Zudem soll sich das Recht auf eine bezahlbare Wohnung auch im Grundgesetz wiederfinden. Damit wollen die Mieterschützer sicherstellen, dass der Bund regelmäßig Geld für den Bau von Sozialmietwohnungen bereitstellt – und zwar mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Weniger Freude herrscht über die Einführung des Baukindergeldes. 1.200 Euro sollen Familien, die Haus oder Wohnung kaufen wollen, pro Kind bekommen – und das über zehn Jahre hinweg. Denen, die kein Geld für den Kauf haben und in immer teureren Mietwohnungen festsitzen, wird der Bundeszuschuss jedoch wenig bringen, kritisieren die Mieterschützer.

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