Klage gegen Atomausstieg: Atomkonzerne schlagen zurück

Der Staat wird wegen des Atomausstiegs auf Milliarden verklagt. Vattenfall zieht vor ein Schiedsgericht, Eon und RWE vor das Verfassungsgericht.

Selbst nach dem Ausstieg bleibt die Atomkraft böse. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Atomausstieg der schwarz-gelben Bundesregierung könnte teuer werden: RWE, Eon und Vattenfall kämpfen mit allen Mitteln für eine Kompensation der Einnahmeausfälle. Der schwedische Konzern Vattenfall zieht nach einem Bericht des Handelsblattes vor das Washingtoner Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (Icsid), an dessen Entscheidungen Deutschland völkerrechtlich gebunden ist. Vattenfall spricht davon, 700 Millionen Euro in die Meiler Brunsbüttel und Krümmel investiert zu haben, im Vertrauen auf eine Laufzeitverlängerung. Um die Summe wird es mindestens gehen.

Noch sei eine Entscheidung über eine Klage nicht gefallen, sagte ein Vattenfall-Sprecher. Doch ziemlich vieles spricht dafür, dass die vermutlich lancierten Presseberichte Teil der Strategie des Konzerns sind. Denn bereits im Jahr 2009 verklagte Vattenfall Deutschland vor dem Icsid um 1,4 Milliarden Euro. Grund war das Kohlekraftwerk Moorburg, das die Stadt Hamburg nur mit so hohen Umweltauflagen genehmigt hatte, dass der Konzern hohe Verluste fürchtete.

Die Stadt Hamburg einigte sich schließlich auf einen Vergleich, der massiv zu Gunsten des Konzerns ausgefallen ist. Die Unterlagen liegen der taz vor, der Rechtswissenschaftler Markus Krajewski hat erstmals Einsicht genommen. Vattenfall verzichtet demnach auf Schadenersatz, allerdings für die Gegenleistung, dass die Umweltauflagen aufgeweicht werden. Das heißt für den aktuellen Fall um den Atomausstieg nichts Gutes. "Mit dem Gang zum Icsid umgeht Vattenfall das deutsche Grundgesetz", sagt Krajewski.

Drohkulisse aufbauen

Denn das deutsche Recht kennt Eigentum nur in Verbindung mit "sozialen Pflichten" und wägt mehrere Interessen ab, etwa den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Die internationalen Regeln kennen lediglich den Schutz des Eigentums der Konzerne, ohne Rücksicht etwa auf ökologische Belange. Der Konzern scheint also die gleiche Strategie wie in Moorburg zu fahren: Drohkulisse über eine Klage vor dem Washingtoner Gericht aufbauen in der Hoffnung, dass die Bundesrepublik sich eine Niederlage spart und freiwillig zahlt.

Die Möglichkeit Vattenfalls haben Eon und RWE als deutsche Unternehmen nicht. Wie aus Branchenkreisen verlautete, wird es jedoch noch in diesem Jahr zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht kommen. Auch hier wollen sich die Konzerne auf den Schutz des Eigentums berufen. Nach Aktienrecht sei man verpflichtet, die Werte des Unternehmens zu schützen, heißt es. Die Klageschrift sei bereits fertig.

So habe man etwa im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung neue Brennelemente bestellt, die nun wertlos seien. Die Brennelemente seien für jeweils einen bestimmten Reaktor maßgeschneidert und könnten nicht einfach in einen noch laufenden übertragen werden. Es gehe nicht darum, den Atomausstieg rückgängig zu machen, sondern die Lasten "fair zu verteilen". Einen Teilerfolg haben Eon und RWE aus ihrer Sicht bereits erzielt: Der Staat muss 170 Millionen Euro an Brennelementesteuer zurückzahlen.

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