Kinderbuchverfilmung „Paddington 2“: Ein Bär sieht rosa

Wer Fell hat, findet rasch Freunde, selbst im Knast: In „Paddington 2“ tritt das wohlerzogene Pelztier gegen Hugh Grant als Bösewicht an.

Im rosagestreiften Anzug steht Paddington vor einem Fließband.

Paddington in der Weihnachtsbäckerei, äh, in der Gefängniswäscherei Foto: Studiocanal

Der Migrant ist angekommen. Mitten in der britischen Gesellschaft. Der Bär Paddington wurde einst von seinen Verwandten aus Peru nach London geschickt, ohne zu wissen, was ihn dort erwarten würde. Inzwischen lebt er als vollwertiges Mitglied im Haus der Familie Brown, verzehrt weiter bergeweise Brote mit Bitterorangenmarmelade und hat auch sein Händchen für unbeabsichtigte Sachbeschädigung nicht verloren.

Eigentlich alles prima im Leben Paddingtons. Und dann steht auch noch der 100. Geburtstag seiner Adoptivtante Lucy an. Für diesen Anlass hat Paddington ein ganz besonderes Geschenk entdeckt: ein antiquarisches, handgemaltes Aufklapp-Bilderbuch mit Stadtansichten Londons. Damit sich die im peruanischen Dschungel lebende Verwandte eine genaue Vorstellung davon machen kann, wo Paddington lebt.

„Paddington 2“, die Fortsetzung der gnadenlos liebenswerten Kinderbuchverfilmung unter der Regie von Paul King, zeichnet sich, wie schon der erste Teil, durch die Tugend aus, als Film für junge Zuschauer ebenso albern wie anrührend zu sein, ohne dabei die Intelligenz von Erwachsenen zu beleidigen. Und sich die eine oder andere Freiheit im Spiel mit filmischen Mitteln zu nehmen.

Wer hat das Bilderbuch geklaut?

Hatte im ersten Teil von 2014 der Wechsel zwischen Farbe und Schwarz-Weiß zum Hervorheben von Rückblenden gedient, wird dieses Mal die Fantasie im Futur angesprochen: Wenn Paddington das besagte Bilderbuch aufklappt, findet er sich sogleich selbst inmitten der zweidimensionalen Kulissen Londons wieder. In dieser wunderbar schlicht gehaltenen Welt schreitet er dann von Seite zu Seite zwischen flachen Menschenfiguren einher, wo er die Ankunft seiner Tante imaginiert.

Allein: Das Buch, das er bei einem befreundeten Antiquitätenhändler entdeckt hat, ist als Unikat sehr teuer. Paddington beginnt daher, unter vollem Körpereinsatz als Fensterputzer zu arbeiten, um das nötige Geld zu verdienen.

„Paddington 2“. Regie: Paul King. Mit Hugh Bonneville, Sally Hawkins u. a. Großbritannien/Frankreich 2017, 103 Min.

Doch seine Geburtstagspläne werden zunichtegemacht, als er eines Nachts am Antiquariat vorbeikommt, um Zeuge eines Einbruchs zu werden. Paddington nimmt sofort die Verfolgung auf, der Einbrecher kann ihm aber entkommen. Ausgerechnet mit dem Bilderbuch. Paddington landet dafür als Hauptverdächtiger im Gefängnis, selbstverständlich stilvoll im Tower of London.

Beziehungen mit Marmelade schmieren

Die Episode im Knast, die einen guten Teil des Films beansprucht, nutzt Paul King einerseits, um zu demonstrieren, welche integrativen – und, als mittelfristige Konsequenz, resozialisierenden – Fähigkeiten Paddington hat. Ihm hilft vor allem seine hemmungslose Marmeladenvorliebe, um aus einem furchteinflößend brummeligen Gefängniskoch einen rau-herzlichen Kumpel hervorzuschälen.

Andererseits bringt auch Paddingtons Neigung zu Tollpatschigkeit nicht nur Nachteile mit sich. Ein Versehen führt dazu, dass die Häftlinge statt ihrem Uniformgrau unversehens in Zartrosa gekleidet herumlaufen. Diese queere Anspielung weiß der Film später noch leidlich zur Freude aller Beteiligten auszugestalten.

Eine der glücklichsten Entscheidungen bei der Besetzung – neben Paddingtons Adoptiveltern, dem zuverlässig frustrierten Hugh Bonneville als Henry Brown und der immer tollen Sally Hawkins als Mary Brown – ist Hugh Grant in der Rolle des alternden Schauspielers Phoenix Buchanan.

Grant spielt einen angeknitterten Beau, der seine großen Bühnentage längst hinter sich hat und es stattdessen vorzieht, sich in Gesellschaft der Kostüme seiner früheren Glanzrollen zu bespiegeln. Der Egomane stellt sich bald als Paddingtons großer Gegenspieler heraus, dem seine alles und jeden weglächelnden Züge – fast – nie entgleiten.

Pastellton-Extravaganzen

Im ersten Teil hatte Nicole Kidman die Rolle des Bösewichts übernommen. Allerdings war sie in ihrer Mission, Paddington auszustopfen, und in hautenger Latex-Fetischkleidung ein wenig zu sehr für eine ältere Zielgruppe gestaltet. Grants verblasster Mime ist in seinen maßgeschneiderten Pastellton-Extravaganzen zwar nicht weniger unsympathisch, mit seiner Mischung aus Hinterhältigkeit und Lächerlichkeit hingegen weit überzeugender.

Ansonsten ist die Welt bei „Paddington 2“ wieder eine, in der man im Ernstfall zusammenhält, ohne übertrieben triefige Gesten zu benötigen. Auf das britische Understatement ist im Zweifel Verlass. Und auf die Ironie sowieso. Die transportiert auch die Calypso-Musik der Band D-Lime, die erneut vereinzelt als Kommentator wie ein antiker Chor auftritt. Und gegen Paddington selbst, ob nun auf Englisch mit Ben Whishaws Stimme oder auf Deutsch von Elyas M’Barek gesprochen, ist eh jeder Widerstand zwecklos. Wenn man in diesem Jahr bloß einen einzigen Kinderfilm ­sehen sollte, dann bitteschön diesen.

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