Kinderarmut in Deutschland: Das Elend der Kleinsten

Jedes fünfte Kind unter 15 Jahren wächst laut Bertelsmann-Stiftung unterhalb der Armutsgrenze auf. 1,15 Millionen leben in Familien ohne staatliche Unterstützung.

Ein bisschen mehr Sorge um die Zukunft der Gesellschaft ist nötig. Bild: dpa

Güterloh dpa | Kinder- und Familienarmut hat in Deutschland einer Studie zufolge alarmierende Ausmaße angenommen. Zugleich ist die staatliche Unterstützung oft nicht passgenau und geht am Bedarf vorbei. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Erhebungen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die am Sonntag veröffentlicht wurden.

Jedes fünfte Kind unter 15 Jahren ist demnach armutsgefährdet, wächst also unterhalb der Armutsgrenze auf. Das sind 2,1 Millionen Jungen und Mädchen, die in Familien leben, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Netto-Einkommens zur Verfügung haben. Bei einer vierköpfigen Familie liegt die Schwelle bei 1848 Euro im Monat.

Knapp die Hälfte dieser 2,1 Millionen Kinder lebt in Haushalten, die staatliche Grundsicherung beziehen, also SGB-II-Leistungen, besser bekannt als Hartz IV. Bei der anderen Hälfte – das sind 1,15 Millionen arme Kinder – ist das allerdings nicht der Fall: Sie leben ohne dieses Unterstützung, obwohl sie teilweise Anspruch darauf hätten. Und: Nur gerade mal knapp über der Armutsschwelle – und zwar mit Hilfe von SGB-II-Leistungen – wachsen weitere rund 480.000 Kinder in Deutschland auf.

Zusammengefasst bedeutet das laut Studie, dass hierzulande drei Viertel aller Kinder in finanziell gesicherten, aber ein Viertel in finanziell unsicheren Verhältnissen groß werden. Die Auswertung der Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt eine deutliche Benachteiligungen von Kindern einkommensarmer Familien im Vergleich zu Haushalten mit gesicherten finanziellen Verhältnissen.

Konkret zeigt sich: Rund 20 Prozent der Kinder, die Grundsicherung beziehen, leben in beengten Verhältnissen. 76 Prozent, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind, können sich keinen Urlaub von mindestens einer Woche leisten. In vielen Fällen lässt das schmale Budget nicht zu, dass Freunde nach Hause eingeladen werden.

Rund 14 Prozent wachsen zudem in Haushalten ohne Internet auf, 38 Prozent in Familien ohne Auto. Und bei 10 Prozent der Kinder besitzen nicht einmal alle Familienmitglieder ausreichende Winterkleidung. Zugleich stellt die repräsentative Erhebung heraus, dass elementare Güter – eine warme Mahlzeit am Tag oder pünktliche Mietzahlungen – in Familien mit SGB-II-Bezug in der Regel gewährleistet sind.

Eine zweite Untersuchung, für die Armutsforscher Familien befragt haben, bilanziert: Einkommensschwache Eltern wünschen sich für ihre Kinder vor allem gute Bildung und stellen eigene Bedürfnisse zurück. Sie empfinden es frustrierend, häufig Nein sagen zu müssen und aufgrund ihrer prekären Finanzlage praktisch keinen Handlungsspielraum zu haben. Eltern klagen zudem über zu viele behördliche Anlaufstellen, bürokratische Hürden und wechselnde Ansprechpartner.

Der Bertelsmann-Stiftung zufolge legt die Befragung offen, dass das staatliche Unterstützungssystem Armut nur unzureichend auffange. „Materielle Unterversorgung und fehlende soziale Teilhabe sind eine schwere Hypothek, mit der Kinder ins Leben starten“, betonte Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung. Der Bedarf der Kinder, ihr Wohlbefinden und ihre Teilhabechancen müssten in den Mittelpunkt rücken, die staatliche Grundsicherung solle erhöht werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.