Kein „Brennpunkt“ zu Merkels Handy: War was?

Wenn es schneit, sendet das Erste einen „Brennpunkt“. Zur Ausspähung von Merkels Mobiltelefon gab es keinen. Angeblich auf Weisung von oben.

Statt „Brennpunkt“ kam am Donnerstag Kai Pflaume. Auch schön. Bild: ARD/Frank P. Wartenberg

Der Herr über „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, Kai Gniffke, wollte von Rudeljournalismus nichts wissen. Alle fallen über die selbe Person her? Keiner hält mehr inne? Pah. „Es gibt schon noch Medien, die selbst bestimmen, was heute wichtig war“, sagte er vor einer Woche auf den Münchener Medientagen – und sah seine Sendungen mit Sicherheit als Teil „dieser Medien“.

Wie frei die ARD bei ihrer Festlegung ist, was vom Tage an Nachrichten übrig bleibt und was nicht, zeigte sich am Donnerstagabend. Während viele Journalisten im Lande froh waren, durch die Kanzlerin Angela Merkel und ihr ausgespähtes Mobiltelefon endlich auf griffige Art zeigen zu können, wie tief das Thema Überwachung durch Geheimdienste unsere Gesellschaft durchdringt, hielt es der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, wohl für angebracht, das Thema kleiner zu fahren.

Das heißt: ein bisschen Berichten in der „Tagesschau“, ein paar Statements von Oppermann und Co. und später dann ein Talk dazu bei „Beckmann“. Einen „Brennpunkt“ im Anschluss an die „Tagesschau“, der Millionen von Zuschauern erreicht hätte, soll Herres verhindert haben – gegen den Willen der ARD-Chefredakteure. So berichtet es Stefan Niggemeier in seinem Blog.

Das Erste hat in diesem Jahr 24 "Brennpunkte" gesendet, darunter zwei zu Ägypten, zehn zum Hochwasser in Deutschland, einen zum Schneechaos und einen zu fehlendem Personal bei der Bahn. Bei dieser Auswahl soll das Thema, dass die deutsche Regierungschefin von einem ausländischen Geheimdienst überwacht wurde, nicht wichtig genug sein?

Twitter, löschen, facebooken

Niggemeier vermutet dahinter Quotengründe. Herres habe wohl gewollt, dass Kai Pflaumes Show „Die deutschen Meister“ rechtzeitig startet. Das Erste nannte diesen Verdacht auf Twitter „frei erfunden“ – und löschte den eigenen Beitrag gleich wieder, um kurz darauf doch zu antworten – auf Facebook.

Es sei kein „Brennpunkt“ gesendet worden, „weil dieser ... zu diesem Zeitpunkt kaum weitere filmische Erkenntnisse liefern hätte können“. Die Entscheidungen „erfolgten ausschließlich aus inhaltlichen Gründen und nicht – wie von Stefan Niggemeier in seinem Blog behauptet und frei erfunden –, um eine Unterhaltungsshow nicht zu verschieben. Diese fand durch die verlängerte Tagesschau-Ausgabe ohnehin später statt.“

Dass die Quote bei der Abwägung für oder gegen einen „Brennpunkt“ keine Rolle spielt, erscheint jedoch kaum glaubwürdig. Die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks plaudern zwar bei öffentlichen Veranstaltungen immer gern darüber, wie frei man sich machen müsste von der Quote, am Ende ist sie aber auch für ARD und ZDF die einzig harte Währung. Fragen Sie mal bei Redakteuren nach, was bei der Nachbetrachtung einer Sendung als Erstes auf den Tisch kommt. Sicher nicht die Qualität der Beiträge.

Die zynische Seite der ARD

Sollte Niggemeiers Vorwurf stimmen, hätte Volker Herres mit seiner Entscheidung gegen den „Brennpunkt“ mal wieder die zynische Seite der ARD gezeigt. Sie bekommt mehr als 5,3 Milliarden Euro von den Beitragszahlern – um frei zu sein, um unabhängig zu sein, um mehr bieten zu können als es dem privaten Rundfunk möglich ist. Doch schlussendlich handeln die EntscheiderInnen genauso wie die RTL's und Sat.1's dieser Welt.

Welche Begründung für diese „Gnade, öffentlich-rechtlich alimentiert zu werden“, wie Kai Gniffke es nannte, gibt es noch, wenn wichtigste und hochbrisante politische Themen einfach ausgeblendet werden – weil sie ja eh keiner gucken würde?

„Ich nenne es bewusst Gnade“, sagte Gniffke in München anschließend, „denn das ist etwas, das man nicht verdient hat.“ Zumindest wenn es so läuft wie am Donnerstagabend.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.