Karikatur im Zeitungssterben: Marktdruck statt Meinungsfreiheit

Nicht nur Redakteure sind Opfer der Zeitungskrise, auch Karikaturisten haben zu kämpfen. Mit Sparzwängen - und mit ängstlichen Redaktionen. Das Niveau sinkt.

Da bricht doch der Stift ab: Der Trend geht zur Harmlosigkeit. Bild: photocase / Perian80

Die Financial Times Deutschland ist Geschichte, das einstmals überregionale, linksliberale Traditionsblatt Frankfurter Rundschau hängt als kleingesparter Regionalzwerg am Tropf der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zwei prominente Beispiele, eine Krise: Sinkende Abonnements und Auflagezahlen zwingen die Tageszeitungen zu Sparmaßnahmen.

Als Protagonisten der Medienkrise kommen gewöhnlich weggesparte Redakteure und kühl kalkulierende Verleger zu Wort. Aus dem medialen Fokus, doch nicht minder betroffen von den Sparzwängen der Redaktionen sind allerdings auch Karikaturisten. Die Folge: Das Niveau der politischen Karikatur in der deutschen Presselandschaft befindet sich im Sinkflug.

Die Zeitungskrise wirke sich inhaltlich auf die Karikaturen aus, findet Mathias Hühn, der freiberuflich für mehrere Zeitungen (unter anderem auch für die taz) zeichnet. „Karikaturen dürfen heute nicht mehr alles, wie das vielleicht früher noch der Fall war.“ Heikle Themen wie Alkoholismus und Obdachlosigkeit würden kaum noch behandelt.

Rückgriff auf massentaugliche Motive

Thomas Meitsch, der unter dem Künstlernamen Schwarwel unter anderem für die Sächsischen Zeitung arbeitet, sieht die Schuld daran bei den Redaktionen, die sich heute weniger trauen würden und deshalb auf massentauglichere Motive zurückgriffen.

Zudem verkleinert sich der Markt für die Zeichner durch den Trend von zusammengelegten Mantelredaktionen, wie etwa bei den NRW-Zeitungen der Funke-Mediengruppe (ehemals WAZ-Mediengruppe), die dann einfach die gleichen Karikaturen drucken. Dadurch sinke die Chance gedruckt zu werden, meint Klaus Stuttmann, der für den Berliner Tagesspiegel arbeitet.

Mathias Hühn sieht in diesen redaktionspolitischen und wirtschaftlichen Zwängen einen „Trend zur Harmlosigkeit“ in den Zeichnungen. Er geht sogar noch weiter: „Ich sehe die Meinungsfreiheit durch den Marktdruck bedroht. Viele Zeichner haben eine Schere im Kopf und zeichnen Sachen, die niemandem wehtun, nur um gedruckt zu werden.“

Doch die Sparwut fällt letztlich wieder auf die Zeitungen selbst zurück: „Eine Zeitung gewinnt an Profil, wenn sie Karikaturen abdruckt, die polarisieren“, sagt Schwarwel. Klaus Stuttmann wünscht sich deshalb höchstens zwei oder drei Karikaturisten pro Blatt. Erst so könne eine Karikatur zum Wiedererkennungsmerkmal einer Zeitung werden – und die hart umkämpfte Leserschaft binden.

Kein hoher Stellenwert

Stuttmann zieht Vergleiche zu Plantu, dem Hauszeichner der französischen Tageszeitung Le Monde, der täglich auf der Titelseite erscheint. „In Deutschland hatten Karikaturen nie einen hohen Stellenwert. Das hängt auch mit der Geschichte zusammen. Hier gab es nie wirklich ein Aufbäumen gegen die Obrigkeit wie in Frankreich“, erklärt sich Stuttmann diese Sonderstellung.

In Deutschland arbeiten die meisten Karikaturisten dagegen freischaffend und beliefern mehrere Zeitungen – davon leben können sie meist nicht, zumal im Zuge der Zeitungskrise auch die Honorare für Karikaturisten gekürzt wurden: „Ein Riesenproblem für uns“, sagt Hühn. Thomas Meitsch arbeitet nebenher auch noch als Comiczeichner und Trickfilmer, um über die Runden zu kommen.

Um französische Verhältnisse in Deutschland bemüht sich Andreas Nicolai. Er ist Geschäftsführer des Interessenverbandes Cartoonlobby. Deren Ziel ist es, Künstler zusammenzuführen, um diese besser zu fördern. Man wolle „ein öffentliches Podium für diese Kunst schaffen“, sagt Nicolai. Hühn, Meitsch und Stuttmann sind alle selbst Mitglieder der Cartoonlobby. Ihnen sind solche Interessenverbände wichtig, sie ermöglichen vor allem Austausch. Organisierbar im Sinne einer Gewerkschaft seien Karikaturisten allerdings nicht, sagt Klaus Stuttmann: „Dafür sind wir zu wenige und zu sehr Einzelgänger.“

Chance Internet

Das Internet bietet dagegen schon eher Chancen, sich selbst zu vermarkten – Facebook etwa helfe durchaus, hat Klaus Stuttmann festgestellt. Doch Heilsbringer ist das Netz auch nicht immer unbedingt – Stichpunkt Leistungsschutzrecht, Stichpunkt Bezahlmodelle im Internet, die nächsten großen Debatten neben der Printkrise.

Thomas Meitsch etwa warnt vor der vorherrschenden Gratiskultur: „Facebook oder Google+ und wie sie alle heißen sind sicher gute Werkzeuge, um seine Inhalte einem Publikum zu präsentieren – dafür zahlen tut dieses Publikum jedoch nicht.“ Es sei noch ein weiter Weg, bis sich ein Vergütungs- und Nutzungssystem für Karikaturen im Netz durchsetzen wird. Daran ist auch die Cartoonlobby interessiert.

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