Kampf um Libyens Hauptstadt: Die Angst vor einem zweiten Irak

Der Nationale Übergangsrat Libyens plant für die Zeit nach Gaddafi. Er betont, dass es ein Chaos wie im Irak in der Hauptstadt nicht geben werde. Dafür soll die Tripolis-Brigade sorgen.

Libysche Rebellen jubeln, nachdem sie am Sonntag nachdem sie einen von Gaddafis Truppen aufgegebenen Checkpoint nahe Aziziyah passieren konnten. Bild: reuters

BERLIN taz | Es gibt ein Szenario für den Falle des Sturzes von Muammar al-Gaddafi, das in der arabischen Welt und bei der Nato besonders gefürchtet ist - das irakische Szenario. Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 kam es, abgesehen von weiteren Kampfhandlungen, zu Plünderungen, Entführungen, Morden und Anschlägen, die zeitweise fast die Form eines sunnitisch-schiitischen Bürgerkriegs annahmen. Die Organisation Iraqi Body Count kommt für die Zeit zwischen dem 20. März 2003 bis zum 24. Juli 2011 auf über 100.000 Tote.

Dieses Szenario hat auch der Nationale Übergangsrat (TNC) der Rebellen in Bengasi vor Augen. Er betont, ein Chaos wie im Irak werde es in Tripolis nach einem Abgang von Muammar al-Gaddafi nicht geben. Die in Katar ausgebildete Tripolis-Brigade des TNC, die auf mehrere hundert Mann geschätzt wird, soll strategische Punkte, wichtige Einrichtungen sowie Altertümer schützen. Die Brigade besteht aus Kämpfern, die aus Tripolis stammen oder dort Familie haben. Um den Eindruck zu vermeiden, es fände eine Invasion aus dem Osten statt, sollen zudem Kämpfer aus dem Westen des Landes in Tripolis einrücken.

Ehe Libyen 1951 von der UNO gegründet wurde, hatten die Regionen Tripolitania im Westen, Cyrenaika im Osten und Fezzan im Süden wegen ihrer sehr unterschiedlichen Geschichte kaum Gemeinsamkeiten. Unter Gaddafi wurden die Spannungen nicht überwunden, seine Basis ist eher der Westen, der Osten wurde vernachlässigt. Doch trotz dieser Teilung muss auch der TNC früher oder später auch in Tripolis Präsenz zeigen.

Übergangsregierung nach 30 Tagen

Nach dem Sieg über Gaddafi will der Übergangsrat nach Tripolis umziehen. Nach einem Zeitplan der Rebellen, über den AFP berichtete, will der TNC nach dreißig Tagen eine Übergangsregierung ernennen, die binnen 8 Monaten die Wahl eines Übergangsparlaments organisieren und eine Verfassung vorbereiten soll. Dem Plan zufolge will der TNC in der ersten Sitzung des Übergangsparlaments seine Macht abgeben. Die Volksvertretung soll spätestens nach 60 Tagen ein Komitee zur Ausarbeitung einer Verfassung einsetzen. Wenn dann Übergangsregierung und -parlament dem Entwurf zustimmen, soll es ein Referendum geben. Das Übergangsparlament soll außerdem binnen 30 Tagen ein Wahlgesetz verabschieden, damit nach spätestens 6 Monaten Wahlen stattfinden, wie AFP weiter berichtet. Diese Phase soll maximal 20 Monate dauern und unter Aufsicht der UNO stehen.

Doch zunächst müssen in Tripolis Verhältnisse einkehren, die eine Debatte über eine neue Verfassung und die Organisierung von freien Wahlen ermöglichen. Neben der Tripolis-Brigade wollen die Rebellen bereits 800 Personen aus Gaddafis Apparat rekrutiert haben sowie 5.000 Polizisten übernehmen, wie aus einem TNC-Papier hervorgeht, über das die Londoner Times berichtete. Die Sicherheitskräfte der Interimsregierung sollen 10.000 bis 15.000 Mann umfassen. Dabei will der TNC aus früheren Fehlern lernen und vermeiden, dass sich in Tripolis viele bewaffnete Gruppen bilden.

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