Kampf gegen Steueroasen: Legale Steuerfluchten

Die Bundesregierung will die Steuerflucht einschränken. Doch manche ihrer Maßnahmen greifen nicht. Auch das Transparenzregister hat Lücken.

Bundesfinanzministerium in Berlin, Wilhelmstraße

Viele der beschlossenen Maßnahmen gegen Steuerflucht blieben wirkungslos: das Finanzministerium in Berlin Foto: imago/Schöning

BERLIN taz | Solche Summen würden die Geldsorgen vieler Regierungen und Bürger*innen lösen: Über 400 Milliarden Euro stehen weltweit pro Jahr nicht für öffentliche Aufgaben zur Verfügung, weil transnationale Konzerne zu wenig Steuern zahlen. Das schätzt das Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network, TJN).

Selbst die deutsche Regierung könnte sich manche Grübelei sparen, verfügte sie über diese Mittel. Hierzulande summiere sich der Verlust wegen Steuervermeidung durch Konzerne auf jährlich 17 Milliarden Euro, berechnete der französische Ökonom Gabriel Zucman.

Hätte, könnte, würde. Zurzeit jedenfalls fließen solche Geldströme nicht, wie sie sollten. Das zeigen die zu Wochenbeginn veröffentlichten sogenannten Paradise Papers wieder einmal deutlich. Wistleblower haben internationalen Journalisten große Datenmengen zur Verfügung gestellt, die die Geschäfte zweier internationaler Beratungsfirmen und die Unternehmensregister von 19 Steueroasen beschreiben, darunter der Isle of Man im Ärmelkanal und der Bermuda-Inseln.

Legal, scheinlegal, aber auch illegal verstecken dort Konzerne und reiche Privatpersonen gigantische Summen, die in den Heimatländern nicht für Schulen, Krankenhäuser und Straßen ausgegeben werden können.

Spätestens seit der Finanzkrise ab 2007 aber hat sich der Wind gedreht. Viele Regierungen, auch die deutsche, versuchen zunehmend grenzüberschreitende Steuertricks einzuschränken. Mittlerweile zeitigen die Bemühungen erste Erfolge. Kritiker wie TJN verweisen trotzdem darauf, dass wesentlich mehr passieren könnte. Was hat die Bundesregierung geleistet, was könnte sie tun?

Künftig gibt es Transparenzregister

Beschlossen wurden für Europa und Deutschland bereits sogenannte Transparenzregister. Darin steht künftig für jedes registrierte Unternehmen, wem es offiziell gehört und wer die wirtschaftlich Begünstigten sind, also die wirklichen Nutznießer der Gewinne.

Gerhard Schick

„Das Finanzministerium ver-hindert, dass sich die Öffentlichkeit informiert“

Gegen Aktivitäten in Steueroasen kann das ein starker Hebel sein – gehört etwa eine in Deutschland gegründete Firma anderen Unternehmen, Gesellschaften oder Stiftungen, die auf der Isle of Man sitzen, könnte man sehen, welche Personen dahinterstecken. Richten die anderen EU-Staaten ähnliche Register ein, ließen sich entsprechende Informationen beispielsweise auch für niederländische Ableger deutscher Unternehmen ermitteln. Der Schleier der Steueroasen würde mindestens teilweise gelüftet.

TJN-Forscher Markus Meinzer kritisiert allerdings eine große „Hintertür“ im deutschen Firmenregister. In der Bundesrepublik gemeldete Unternehmen müssten ihre tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten nicht nennen, wenn mehr als zwei ausländische Gesellschaften in der Kette dazwischen geschaltet seien, sagt Meinzer. „Ich gehe davon aus, dass die EU deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet.“ In der aktuellen Ausgestaltung mache die Ausnahme das deutsche Firmenregister jedenfalls zum guten Teil unwirksam.

Ein weiterer Kritikpunkt: Das Bundesfinanzministerium betont zwar, dass die Informatio­nen des Firmenregisters im Prinzip allen Personen zur Verfügung stehen, „die ein berechtigtes Interesse nachweisen können“, also auch Journalisten und Organisationen, die sich mit Steuerhinterziehung beschäftigen. Das bezweifelt Meinzer jedoch: „Es besteht keine Rechtssicherheit, Behörden können den Zugriff willkürlich verweigern.“ Auch der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick fordert, dass das Firmenregister „öffentlich“ sein soll.

Die Lücke schließen

Transnational tätige Unternehmen müssen den deutschen Finanzämtern mittlerweile mitteilen, welche Gewinne sie weltweit im Ausland erwirtschaften und wie viel Steuern sie darauf zahlen. Damit wollte Exfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erschweren, dass Konzerne wie Apple und Facebook ihre Profite dorthin transferieren, wo die Steuern am niedrigsten sind, und dann entsprechend Abgaben entrichten.

Allerdings unterliegen diese Informationen dem Steuergeheimnis, Wissenschaftler und Kritiker sollen nichts erfahren. Wegen mangelnder Kontrolle werde die Wirksamkeit der Regelung damit untergraben, sagt Meinzer. „Das Bundesfinanzministerium verhindert, dass sich die Öffentlichkeit informiert. Ich bin gespannt, wie sich die neue Regierung verhält.“

Kampf gegen Steueroasen – klingt gut. Mitunter halten die Gesetze jedoch nicht, was sie versprechen. Viele Mit­arbeiter*innen des Finanzministeriums und Abgeordnete des Bundestages denken dabei auch an deutsche Unternehmen, die ebenfalls höhere Steuern zahlen müssten.

Die Stichwörter „Kampf gegen Geldwäsche, unfairen Steuerwettbewerb und Steuervermeidung“ stehen nun auf der Themenliste von Union, FDP, Grünen für die Jamaika-Verhandlungen. Mal sehen, was dabei herauskommt.

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