Kampf gegen Prostitution in den USA: Das Böse an der Interstate 45

In Houston, Texas, ist Prostitution verboten. Doch das Geschäft blüht. Wie ein Journalist und eine Evangelikale dagegen angehen.

Haus mit Autos davor und Reifenspuren

Geschlossenes Bordell in Houston Foto: Christian Jakob

HOUSTON taz | Das Böse findet Jeremy Rogalski ganz leicht. Das Böse macht Werbung für sich, auf baumhohen Schildern, pink, beige, rot, leuchtend. „Bikini Lounge“, „Fantasy Plaza“, „Diamond Spa“, „Cabo Ray Spa“. „Alles Sexhäuser“, sagt Jeremy Rogalski. „Sie sind überall, dreh dich um und ich zeig dir eins.“ Die Interstate 45 im Norden Houstons ist breit wie ein Fluss, Armadas von Pick-ups dröhnen auf zehn Spuren durch die endlosen Vorstädte, und Jeremy Rogalski führt durch sie hindurch wie ein Reiseleiter in die dunkle Seite Amerikas.

Houston, nah an der Grenze zu Mexiko, sei einer der wichtigsten Umschlagplätze für Menschenhandel in den USA, sagt er. „Mehr Bordelle als Starbucks“ gebe es in der Stadt, schrieb der Houston Chronicle Ende Januar, obwohl Prostitution in Texas verboten ist. Allein über 500 falsche Massagesalons, schätzt die Polizei, seien es im Großraum Houston mit seinen fast sieben Millionen Einwohnern.

Für Rogalski sind es Orte der Ausbeutung, des Missbrauchs, des Verbrechens. Sein jüngstes Werk heißt ­„Selling Girls“, eine im Oktober erschienene, grell aufgemachte Serie über Zwangsprostitution von Jugendlichen, die in den USA viel beachtet wurde. Von einer „Epidemie“ der sexuellen Ausbeutung ist darin die Rede, von einem „Multi-Milliarden-Business“. Die NGO Polaris schätzt, dass es in den USA etwa 100.000 Zwangsprostituierte gibt.

Weit außerhalb der City liegt Enchanted Oaks. „Verzauberte Eichen, klingt toll, oder?“, sagt Rogalski, grauer Anzug, dessen inquisitorisches Timbre zu seinem Typ irgendwo zwischen Privatdetektiv und Staatsanwalt passt. Eichen gibt es tatsächlich, dazu Einfamilienhäuser aus Holz und Stein, „eins davon kostet 400.000 Dollar“, sagt Rogalski. Keine Graffitis, keine Obdachlosen, obere Mittelschicht. Hier hat Rogalski für „Selling Girls“ recherchiert.

Die Mutter, die vom Abgleiten der Tochter erzählt

Rechts vom Highway liegt das Leonard-George-Baseball-Stadion, daneben die Spring High School. Das Motel Six ist auf der anderen Seite des Highways. Ein trostloser beiger Kasten, zwei Stockwerke, 53 Dollar die Nacht. „Ich stand da hinten und habe selbst gesehen, wie die ‚Pimps‘, die Zuhälter, die Mädchen gebracht haben.“ Mal seien sie 12, mal 15 Jahre alt, erst bekämen sie Marihuana, dann Heroin, erst gratis, dann heiße es: „'Du schuldest mir was, schlaf mit mir. Und dann bald: ‚Schlaf mit dem.‘“

Rogalski hat eine junge Frau zum Motel Six bestellt, sie steigt aus einem silbernen Chevrolet. „Keine Namen, nenn sie einfach Leyla“, sagt Rogalski. Leyla also hat schwarze Dreadlocks, ist untersetzt, Anfang 30. Im Internet habe ihre jüngste Tochter, „Lynn“, 14, „Leute getroffen“, sagt Leyla, „Raubtiere“ seien das gewesen. Leyla nahm ihr das Handy weg, „Lynn“ besorgte sich ein neues. Dann lief sie weg. Sex mit ihr sei auf verschiedenen Apps und Portalen im Internet angeboten worden, Dutzende Männer hätten sie missbraucht, sagt Leyla. Ihre Tochter sei in dieser Zeit „kontinuierlich mit einem Drogencocktail gefüttert worden“ – unter anderem mit dem weit verbreiteten Schmerzmittel Oxycodon. Videos hätten gezeigt, dass die Freier zu „Lynn“ ins Motel Six gekommen seien.

Heute sei die Tochter nicht mehr dieselbe. Sie streite ab, was geschehen sei, sagt Leyla, „sie glaubt, ich wolle sie nicht mehr, weil sie schmutzig ist.“ Sie habe weiter Drogen konsumiert. Ein Verstoß gegen frühere Bewährungsauflagen. Sie sitzt deshalb heute wieder im Jugendarrest. Die Täter seien auf freiem Fuß, eine Therapie für die Tochter werde nicht bezahlt.

Jeremy Rogalski

„In diesem Land gibt es mehr Aufnahmeplätze für Hunde als für minderjährige Opfer von Zwangsprostitution

„In diesem Land gibt es mehr Aufnahmeplätze für Hunde als für minderjährige Opfer von Zwangsprostitution, das sagt doch schon alles“, sagt Rogalski. „Und die Gesetze sind viel zu lasch.“ Das sei auch kein Wunder, denn sie würden „von mittelalten Männern“ gemacht – der größten Gruppe unter den Käufern von Sex.

Nach den Recherchen von Rogalski allerdings hat Julie Countiss, die Bezirksstaatsanwältin von Harris County, am 18. Oktober eine Ordnungsklage ­gegen das Motel eingereicht. „Wir haben da ziemlich Druck gemacht“, sagt Rogalski. Er zieht keine Linie zwischen Prostitution und Zwangsprostitution, denn in den sogenannten Motels, Lounges, Spas und Massagesalons gebe es diese Grenze schließlich auch nicht, sagt er.

Mann mit Glatze telefoniert mit dem Handy

Der Journalist Jeremy Rogalski kämpf gegen Prostitution jedweder Art Foto: Christian Jakob

Das Houston Police Department residiert in einem ockerfarbenen Wolkenkratzer im Stadtzentrum. Im 14. Stock sitzt die Vice Squad, was man mit Laster-Sondereinheit übersetzen kann. Ihr Leiter heißt Jim Dale, zur nachtblauen Uniform trägt er schwarze Lackschuhe. Seine Polizisten kontrollieren Nachtclubs, Glücksspielhallen, Tabak- und Alkoholläden, Stripclubs und natürlich den Straßenstrich.

Wie Rogalski spricht auch Dale im selben Atemzug von Prostitution und Menschenhandel. Zwangsprostituierte aus Mexiko, Korea, Thailand, Guatemala, Indien oder Nigeria gebe es in Houston, die mexikanischen Narco-Kartelle, die zentralamerikanischen Maras und die US-Gangs haben ihre Finger im Spiel. Es sei der drittgrößte Verbrechenszweig der Welt, sagt Dale. „Kokain kannst du nur ein Mal verkaufen, einen Menschen immer wieder. Mit jedem einzelnen lassen sich Hunderttausende verdienen.“

Dale hat ausgerechnet, dass in seiner Stadt jedes Jahr 350 Millionen Dollar für gekauften Sex ausgegeben werden. 2013, als Dale die Leitung der Sondereinheit übernahm, wurden von seinem Beamten null Freier, aber 2.250 Prostituierte festgenommen.

Wie die Polizei Freier einfängt

Diese Zeiten seien vorbei. „Wir müssen die Nachfrageseite mehr angehen“, sagt Dale. Er zeigt Bilder, auf denen sich Polizistinnen in abgeschnittenen Jeans und engen Tops in Autofenster hineinbeugen. Gehen die Fahrer auf das vermeintliche Angebot ein, müssen sie mit auf die Wache, zum „Mugshot“, dem Verhaftungsfoto, das dann schnell seinen Weg ins Internet findet.

Vor Kurzem hat Dale selbst einen falschen Massagesalon eröffnet. In zehn Tagen kamen 140 Männer und wollten Sex, alle wurden verhaftet. Einer war selbst Polizist. „Diese Männer sollten sich schämen“, sagt Dales Chef, Houstons Polizeichef Art Acevedo. „Diese Frauen betreiben keine Prostitution, weil sie es wollen. Sie tun es, weil sie dazu gezwungen werden.“ Alle 140 standen kurz darauf mit Foto und Namen auf der Webseite des Houston Chronicle. „Wir wollen, dass alle wissen: In Houston tolerieren wir nicht, dass Sex gekauft wird“, sagt Jim Dale.

Und eben auch nicht, dass er verkauft wird. 2017 wurden in Houston 989 Freier, aber immer noch 650 Prostituierte festgenommen. Allerdings, so sagt Dale, würden die Frauen heute von der Polizei vor allem als Opfer betrachtet. Sei nachweislich Zwang im Spiel, hätten die Frauen einen besonderen Status und bekämen Hilfe, bis hin zum Schutz vor Abschiebung. Doch auch die anderen „wollen wir heute nicht mehr einfach verhaften“, sagt Dale. „Wir geben denen die Hilfe, die sie brauchen, um da rauszukommen.“ So vermischt sich die Logik des Kampfes gegen den Menschenhandel mit jener des Kampfes ­gegen die Sexarbeit.

Dale hat ein Bündnis mit staatlichen Sozialdiensten, NGOs und Kirchen gegründet, das diese Hilfen anbietet. Ganz freiwillig ist die nicht: „Wenn die Frauen keine Hilfe suchen und immer da draußen auf der Straße sind, dann müssen sie ins Gefängnis.“ Bis zu zwei Jahre Knast und 2.000 Dollar Strafe stehen in Texas darauf, eigene sexuelle Dienstleistungen anzubieten. Die gleiche Strafe droht Freiern.

Die Haltung, Sexarbeit insgesamt auszumerzen, findet sich auch bei der neuen US-Regierung in Washington. Steven Wagner ist im Sozialministerium der für Menschenhandel zuständige Abteilungsleiter. Er sagt: „Es gibt keine Sexarbeit, die die Würde der Frauen nicht verletzt.“

Der Polizist will die Nachfrage „ausrotten“
Rundliche Frau steht vor einem Flachbau

Samantha Hernandez will ihre Generation „von Sexsucht und Pornographie befreien“ Foto: Christian Jakob

Am liebsten wäre Dale, er könnte die Nachfrage nach gekauftem Sex komplett „ausrotten“. Ob er das schafft? „Wenn die Strafen immer härter werden, vielleicht.“ Wahrscheinlich eher nicht, sagt er dann. „Aber diesen Anspruch habe ich. Dafür stehe ich jeden Tag auf und gehe zur Arbeit.“

Houstons Bürgermeister Sylvester Turner hat 2015 eine Beauftragte für Menschenhandel ernannt – die bislang einzige auf kommunaler Ebene in den USA. Minal Patel Davis hat die Mitarbeiter der Lebensmittelkontrolle und des Gesundheitsamtes darauf trainiert, bei Restaurantinspektionen und medizinischen Untersuchungen auf Hinweise auf Menschenhandel zu achten. Sie hat dafür gesorgt, dass alle Taxen der Stadt mit einem entsprechenden Hinweis durch die Stadt fahren. Ihre große Stunde kam, als im September Hurricane „Harvey“ die Stadt überflutete. Patel ließ sich von den UN beraten, was dagegen zu tun ist, dass nach Naturkatastrophen Zwangsarbeit auf Baustellen und in Bordellen zunimmt.

Vier Monate später sitzt Patel in einem fensterlosen Raum im 8. Stock des Rathauses von Houston, sie trägt ein blaues Kleid, an den Wänden hängen Pläne, wo beim nächsten Hurrikan das Flutwasser hingeleitet werden könnte. Wenn die Stadt sich solche Mühe macht, den Frauen zu helfen – warum lässt sie die Polizei weiterhin SexarbeiterInnen verhaften? „Wir haben mit der Polizei über die Entkriminalisierung diskutiert“, sagt sie. Aber die Diskussio­nen liefen nicht gut.

Die Stadt verfolge deswegen einen anderen Ansatz: Strafen für die Käufer, „Angebote“ für die SexarbeiterInnen. „Wer das erste oder zweite Mal erwischt wird, dem werden soziale Hilfeleistungen angeboten werden, etwa eine Therapie.“ Dann werde das Strafverfahren eingestellt. 91 Prozent der Frauen würden sich nach der ersten oder zweiten Verhaftung dafür entscheiden, das Angebot anzunehmen. Bis die Strafen für Prostitution verringert würden, sei es „ein weiter Weg“, sagt Patel. „Ohne den Willen der Polizei geht das nicht.“ Und Texas sei eben ein „Law-and-Order-Staat“.

Wie Polizei und Religiöse Hand in Hand arbeiten

Und ein sehr religiöser. Samantha Hernandez ist Direktorin bei Elijah Rising, einer evangelikalen Organisation, die gegründet wurde, um gegen die Prostitution zu beten, mittlerweile aber auch direktere Interventionen unternimmt. Elijah war der einzige biblische Prophet, der lebend in den Himmel kam, Elijah Rising ist eine der Gruppen, zu denen die Vice Squad des Polizisten Jim Dale die auf der Straße aufgegriffenen Frauen schickt, damit diese sie aus dem Sexgeschäft geleiten.

Hernandez, Anfang 30, hat blau gefärbte Haare, in ihre Selbstdarstellung hat sie geschrieben, ihr Herz schlage dafür, ihre „Generation von der Kultur der Pornografie und der Sexsucht zu befreien“. Ihr Büro liegt im Stadtteil Gulfton, einem Gewerbegebiet östlich der Innenstadt. „Das hier war ein Bordell, wir haben den Hausbesitzer so lange belästigt, bis er das geschlossen hat. Dann haben wir es selbst gemietet“, sagt Hernandez. „Monate später sind hier noch Männer reingekommen und haben gefragt, wo die Frauen sind.“

Bei Elijah Rising heißen die Frauen nicht „Opfer“, wie neuerdings bei der Polizei, sondern „Überlebende“. Der Begriff „survivor“ wird in den USA für Opfer von Menschenhandel benutzt, nicht zuletzt, weil diese häufig aussagen, ihre Ausbeuter hätten sie mit dem Tod bedroht. Religiöse Organisationen wie Elijah Rising nennen aber ausdrücklich alle SexarbeiterInnen so. „Feministinnen hassen uns dafür“, sagt Hernandez. „Aber wir glauben, dass Prostitution in jeder Form eine Menschenrechtsverletzung ist. Außerdem gibt es keine Frau, die ohne eine Form des Zwangs in das Geschäft eintritt: Mein Kind stirbt oder ich prostituiere mich – ist das etwa freiwillig?“

Auch Pornografie lehnt sie ab: „Was ist denn der Unterschied zwischen Pornos und Menschenhandel?“, fragt sie und beantwortet die Frage gleich selbst: „Der einzige Unterschied ist: Es gibt eine Kamera.“

Samantha Hernandez

„Wir glauben, dass Prostitution in jeder Form eine Menschenrechtsverletzung ist“

Im Innern des Flachbaus riecht es nach Handcreme. „Überlebende“ rühren sie auf einer Farm in der Nähe von Houston an, die Elijah Rising für AussteigerInnen betreibt. „Wir bieten dort jede Art von Hilfe an, die die Frauen annehmen“, sagt Hernandez. Neben den Cremes liegt im Shop auch ein Gesangbuch: „Von der Mafia zum Messias“. Weiter hinten hat Elijah Rising das „Museum der modernen Sklaverei“ eingerichtet: Bilder entsetzlich zugerichteter Zwangsprostituierter sind hier zu sehen, deren zunehmender Verfall auf Polizeifotos festgehalten wurde und an die Gesichter von Crystal-Meth-KonsumentInnen erinnert. „Manche machen es, um ihre Drogen zu bezahlen, andere nehmen die Drogen, um die fünf bis zwölf Freier pro Tag zu überstehen“, sagt Hernandez.

Passt es mit ihrem christlichen Verständnis zusammen, dass die Polizei die Frauen letztlich vor die Wahl stellt, sich in die Obhut von Elijah Rising zu begeben oder ins Gefängnis zu gehen?

„Finden wir das toll, dass sie verhaftet werden? Nein!“, sagt Hernandez. „Manchmal ist das aber der beste Weg, den Zugang zu ihnen zu bekommen und sie zu befreien. Deswegen arbeiten wir mit der Polizei zusammen.“ Dales Leute müssten tun, was das Gesetz verlange. Und das verbiete Prostitution nun mal. Die Polizisten seien heute aber „sehr daran interessiert, dass es Hilfe für die Überlebenden gibt“. Letztlich liege es aber auch in der Hand von Elijah Rising, zu verhindern, dass es überhaupt zu Verhaftungen komme: „Wir müssen eben vorher auf der Straße sein und den Frauen sagen: Es gibt einen anderen Weg.“

Undercover in die Bordelle

Hernandez und ihre MitstreiterInnen gehen nicht nur mit Handwärmern und Flugblättern auf den Straßenstrich. Sie gehen auch undercover in die Bordelle. „Wir kommen da an wie die Zeugen Jehovas“, sagt sie, „wir tun so, als wollen wir ihnen Essen bringen. Für die Zuhälter sind wir nur die ‚Gott schütze euch‘-Tanten von der Kirche. Aber wir treten ihnen in den Arsch. Wir schauen uns um, ob es irgendetwas gibt, womit die Polizei etwas anfangen könnte, und dann geben wir die Infos an Dale ­weiter.“

Hernandez bietet Touren in Kleinbussen zu den Orten an, an denen in Houston das Prostitutionsgeschäft läuft. Alle paar Blocks zeigt sie Wohnhäuser oder Massagesalons. Da, das „Paradise Stress Management“, hier hätten die Frauen „in umgebauten Kühlschränken schlafen“ müssen. In jenem Stripclub seien Tänzerinnen „noch am ersten Tag vergewaltigt worden“. Und dann gebe es auch noch die „Cantinas“, in denen mexikanische Frauen arbeiten würden. „Das läuft da so, dass die Freier pro Bier bezahlen, jedes davon kostet 50 Dollar. Und die Frauen müssen mittrinken. Manche kamen da auf 30 Bier – und das jeden Tag.“

Viele der Etablissements seien geschlossen worden, „weil wir Druck gemacht haben“, sagt Hernandez. „Wir mussten die Route für diese Tour mittlerweile sechs Mal ändern.“ Doch nach wie vor reihten sich Schule, Kirche und Stripclub in Houston aneinander. „Es ist seltsam: Es gibt hier die konservative Kultur des Bible Belt“, sagt sie. „Und gleichzeitig eine Sexindustrie, die einem direkt ins Gesicht springt. Ich verstehe das nicht.“

Nicht alle Gegner der Prostitution in Texas sehen die Sache so grundsätzlich wie die religiösen Gruppen. Der Harvard-Professor für Menschenhandel, Siddarth Kara, etwa verweist darauf, dass es „theoretisch“ selbstbestimmte Prostitution geben könnte. „In der Realität aber ist es so, dass auf die überwältigende Mehrheit der Frauen Zwang ausgeübt wird“, sagt Kara.

Wie die Rechte den Antiprostitutionskampf nutzt

Maxine Doogan aus dem kalifornischen San Francisco ist die Sprecherin der Erotic Services Providers Union in Kalifornien. „Die religiöse Rechte benutzt den Kampf gegen den Menschenhandel für ihren Kampf gegen die Prostitution, die sie für eine Sünde hält“, sagt Doogan. In den vergangenen Jahren habe es USA-weit 57 Gesetzesänderungen gegeben, die sich gegen Prostitution gerichtet hätten. „Das reicht denen aber nicht. Deswegen reißen sie die Grenze zwischen Zwangsprostitution und selbstbestimmter Sexarbeit ein.“

Doogans Gruppe führt gerade einen Rechtsstreit mit dem Staat Kalifornien. Sie hält das dort geltende Prostitutionsverbot für grundrechtswidrig und will feststellen lassen, dass „konsensualer Sex unter Erwachsenen von der US-Verfassung geschützt ist – und zwar ganz gleich, ob bezahlt und unbezahlt.“

Sich durchzusetzen wird für Doogan schwierig. Die Verfechter des Prostitutionsverbots hätten den Staat auf ihrer Seite, sagt sie. Doogan glaubt auch an eine Verbindung zum rechten White Supremacy Movement: „SexarbeiterInnen sind in den USA oft MigrantInnen. Das ist denen ein Dorn im Auge.“ Erst am 30. Januar hat die Polizei von Kalifornien bei einer Razzia gegen Zwangsprostitution 500 Menschen verhaftet. „Es wurde dabei sehr betont, dass den Opfern geholfen wird. Am Ende werden aber immer viele Frauen wegen Prostitution belangt.“

In Texas gibt es keine Vereinigung von SexarbeiterInnen.

Die Reportage entstand im Rahmen einer Reise, die vom US State Department finanziert wurde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.