Kampf gegen IS: Heikler Einsatz der „Falken“

Die arabischen Staaten bekämpfen mit dem IS die Geister, die sie riefen. Sie könnten islamistische Kräfte im eigenen Land gegen sich aufbringen.

Saudi-arabische Piloten nach einem Einsatz in der Anti-IS-Koalition. Bild: ap/Saudi Press Agency

BERLIN taz | In ihren grün-grauen Uniformen lachen die jungen Männer in die Kamera, die Arme kumpelhaft um die Schultern der Kameraden gelegt. Hinter ihnen ragt die Spitze eines Kampfjets hervor. Die saudische Nachrichtenagentur hat das Foto der Piloten verbreitet, die Luftschläge gegen den „Islamischen Staat“ (IS) fliegen. Es ist das erste Mal seit über zwei Jahrzehnten, dass sich Saudi-Arabien und andere Golfstaaten an einem von den USA geführten Krieg beteiligen.

Die Charme-Offensive der saudischen Luftwaffe, die sogar einen Sprössling der Königsfamilie im Kampfjet nach Syrien schickte, gilt der eigenen Bevölkerung. Auch die staatsnahe Presse ist sichtlich bemüht, das Volk hinter dem Einsatz zu vereinen: „Die Vernichtung des terroristischen Krebsgeschwürs erfordert Konfrontation“, schreibt die Zeitung Al-Riadh.

Und die saudische Tageszeitung Al-Dschasira lobt den Einsatz mit gewohnt patriotischem Pathos: „Die Falken des Vaterlandes haben die Nester des IS-Terrorismus getroffen. Die saudischen Falken kreisen hoch am Himmel, voller Kraft, Stolz und Unterstützung des Volkes.“

Für die Herrscher am Golf ist es kein Leichtes, ihrer Bevölkerung den Militäreinsatz schmackhaft zu machen, der sich gegen Sunniten in Nahost richtet. Das gilt für das stramm sunnitische Saudi-Arabien wie für die anderen arabischen Staaten im Anti-IS-Bündnis – Jordanien, Bahrain, Katar und die Emirate.

Vor allem laufen die Regime Gefahr, die islamistischen Kräfte im eigenen Land gegen sich aufzubringen. Teile der islamischen Bewegung in den Golfstaaten lehnen die Herrschaft der Monarchen ab; auch legt eine Onlineumfrage nahe, dass Sympathie für den IS etwa in Saudi-Arabien durchaus verbreitet ist.

Terroristisches Gedankengut

Kaum ein Tag vergeht daher, an dem die Presse nicht vor der Gefahr des Extremismus warnt. Die Luftschläge gegen den IS seien richtig, schreibt die erwähnte Al-Riadh. Doch auch das „terroristische Gedankengut“ innerhalb des Landes dürfe nicht unterschätzt werden. Selbst Großmufti Abdulaziz Al al-Scheich warnte junge Saudis davor, in den Dschihad zu ziehen.

So entschlossen sich die saudische Führung im Kampf gegen den Terror gibt, verfolgt sie doch eine janusköpfige Außenpolitik. Seit Jahrzehnten exportiert Saudi-Arabien, das sich als Führer der sunnitisch-arabischen Welt sieht, seine Ideologie, einen die Saud-Herrschaft stützenden Salafismus. Maßgeblich fördert das Land einen Diskurs, dessen Grenzen zur Radikalität fließend sind. Mit den Angriffen auf den radikalsunnitischen IS bekämpfen die Saudis die Geister, die sie seit Langem gerufen haben.

Dass sich auch Katar am Krieg beteiligt, zeigt einmal mehr den außenpolitischen Ehrgeiz des kleinen Emirats. Vor allem aber scheint die Führung in Doha bemüht, in der Causa IS geschlossen mit den restlichen Golfstaaten aufzutreten und die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Der Arabische Frühling hatte einen Keil zwischen das Land und seine Nachbarn getrieben. Besonders in der Ägyptenpolitik gingen die Interessen auseinander.

Der Emir dementiert

Aber auch im Westen muss Katar sein Image polieren. Das Land steht im Verdacht, Islamisten – auch den IS – finanziert zu haben, was der Emir von Katar allerdings empört von sich weist. Die Beteiligung an den Luftschlägen dürfte den ohnehin starken Wirtschaftsbeziehungen des Landes, unter anderem mit Deutschland, nun wieder Schwung verleihen. Nach dem Berlin-Besuch des Emirs Mitte September betonte Angela Merkel bereits, sie habe „keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben“.

Fragt sich, wie verlässlich die Unterstützung der Golfstaaten im Kampf gegen IS ist. Werden sie gemeinsam mit den USA, dem Irak und der Türkei langfristig an einem Strang ziehen, sollte sich die Operation über Jahre hinziehen?

Der diplomatische Erfolg der USA, fünf arabische Staaten für den Einsatz gewonnen zu haben, verdankt sich nicht zuletzt der Tatsache, dass der IS als einziger Akteur in der Region keinen staatlichen Schutzpatron hinter sich hat. Wird es aber darum gehen, wer in den befreiten Gebieten nach dem IS die Kontrolle übernimmt – Assad, säkulare Rebellen, moderatere Islamisten –, könnten alte Rivalitäten schnell wieder zutage treten. Darüber allerdings scheint derzeit ohnehin noch niemand nachzudenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.