Kämpfe um Libyens Hauptstadt: Tripolis im Griff der Milizen

106 Menschen sind im vergangenen Monat bei Kämpfen um Tripolis gestorben. Die Kämpfe lassen die geplanten Wahlen unwahrscheinlicher werden.

Auf einer Straße laufen drei zivil gekleidete Männer mit Waffen in der Hand

Zivilkleidung und Waffen: Kämpfer am 22. September in Tripolis Foto: dpa

Bei schweren Kämpfen in der libyschen Hauptstadt Tripolis sind im vergangenen Monat mindestens 106 Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden zudem 444 Verletzte in die Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert.

Die vier in Tripolis herrschenden Milizen konnten den Vormarsch der sogenannten Siebten Brigade aus der Stadt Tarhuna vorerst stoppen. Bewohner berichteten am Sonntag aber, dass vor den Hauptquartieren der Milizen in der Innenstadt weiterhin Schüsse zu hören waren.

Die Milizen hatten sich nach dem Aufstand gegen Muammar al-Gaddafi 2011 Zugang zu Ministerien und Banken verschafft. Dass die Milizenkommandeure in Tripolis nicht nur die Straßen, sondern auch die international anerkannte Übergangsregierung von Fayes al-Sarradsch weitgehend kontrollieren, geben selbst Berater des Ministerpräsidenten offen zu.

In Libyen stehen mindestens 270.000 ehemalige Revolutionäre auf staatlichen Lohnlisten. Sie sind zwar offiziell Teil der Armee oder der Polizei, handeln aber im Sinne ihrer jeweiligen Miliz.

Kooperation mit Milizen

Die von dem kartellähnlichen System der Hauptstadtmilizen ausgeschlossenen Gruppen außerhalb von Tripolis sind schon lange unzufrieden mit dem Status quo. Doch Unterhändler der Vereinten Nationen und Italiens kooperierten mit den Milizen in der Hauptstadt, um ihre Botschaften und die libysche Übergangsregierung zu sichern, die ihre eigenen Sicherheitskräfte seit Monaten nicht bezahlen kann.

Um die Migration nach Europa zu stoppen und die auf dem Mittelmeer von der libyschen Marine geretteten Menschen aus Libyen zu evakuieren, sollten die Missionen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Organisation für Migration (IOM) nach vierjähriger Pause wieder ins Land zurückkehren.

Bereits Ende Juli sollte das UNHCR ein erstes Lager für Migranten nahe des Regierungssitzes in Tripolis übernehmen. Doch die Forderungen der dort herrschenden Miliz verhinderten die Übernahme. Dies zeigte, dass die Mehrheit der über 10.000 beim Innen- und Verteidigungsministerium registrierten Milizionäre in Tripolis eigenständig handelt.

Mindestens 270.000 ehemalige Revolutionäre stehen auf den Lohnlisten des Staats

Der Sprecher des UNHCR in Libyen und Tunesien, Tarik Argaz, erklärte gegenüber der taz, dass die geplante Evakuierung von Flüchtlingen über den Hauptstadtflughafen Mitiga eingestellt wurde, nachdem mehrere Raketen auf der Landebahn eingeschlagen waren. Auf unbestimmte Zeit bleibt der Flughafen geschlossen.

Viele in Libyen gestrandete Migranten würden sich nun aus Angst vor den Kämpfen auf den Weg zur Küste machen, in der Hoffnung, ein Platz auf einem Boot nach Europa zu ergattern, berichtete ein Helfer des Roten Halbmondes in der Hafenstadt Zauwia.

Zu dem Konflikt zwischen den Milizen in Westlibyen kommt die Drohkulisse durch General Khalifa Haftar hinzu. Der Machthaber im Osten des Landes droht, mit seinen Truppen „zu gegebener Zeit und auf die richtige Weise“ in Tripolis einzugreifen. Haftar hat Ambitionen, die Macht in ganz Libyen an sich zu reißen. Er hatte sich im Mai mit al-Serradsch auf Wahlen bis Jahresende verständigt. Die seit Ende August neu aufgeflammten Kämpfe lassen diese aber zunehmend unwahrscheinlich werden.

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