Jugendhilfesystem wird untersucht: Expertise für die Kleinen

Bürgerschaft beschließt Enquetekommission zum Schutz von Kindern und deren Rechten. Sechs Experten schon bekannt.

Kinder sollen sorglos spielen können: Hamburgische Bürgerschaft setzt Untersuchungskommission ein. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

HAMBURG taz | Seit Jahren hatte die Linke sie gefordert, nun ist die Enquetekommission zur Überprüfung des Jugendhilfesystems beschlossen worden. Nur die CDU stimmte am Mittwoch gegen den Antrag, auf den sich SPD, Grüne, FDP und Linke verständigt hatten. Noch in diesem Jahr soll das zur Hälfte aus Experten und Politikern bestehende Gremium die Arbeit aufnehmen, und bis Oktober 2018 fertig sein. Den Vorsitz soll nach Wunsch der SPD der Koblenzer Wissenschaftler Christian Schrapper haben.

Bei dem Antrag mit seinen 20 Prüfaufträgen handelt es sich um ein Kompromiss-Papier. „Er ist umfangreich und fokussiert“, sagt SPD-Jugendpolitiker Uwe Lohmann. Es gehe darum, die Fragen des Kinderschutzes und der Kinderrechte „sehr grundlegend zu erörtern“. „Wir wollen das Kind und seine Rechte in den Mittelpunkt stellen“, sagt Grünen-Politikerin Anna Gallina.

Anlass für die Debatte war der Tod mehrerer Kinder, die in der Obhut des Jugendamtes standen. Doch es geht nicht allein um die Frage eines zu späten staatlichen Eingreifens. Beleuchtet werden soll auch, welche Beteiligungsrechte es für Kinder und Jugendliche gibt, die aus Familien genommen wurden? Und ob sich das System an den Bedürfnissen der Kinder orientiert? Auch die Verbindung zu den anderen Lebensorten der Kinder wie Kita, Schule oder Jugendclub sollen näher untersucht werden.

„Überzeugend an der Kommission ist, dass sie Kinderschutz und Kinderrechte gemeinsam diskutieren will“, sagt Fabian Kessl. Das sei „ein gutes fachpolitisches Signal“, so der Erziehungswissenschaftler der Uni Duisburg-Essen. Er forscht seit Jahren zur Jugendhilfe und wird auf Vorschlag der Linken einer der neun Experten.

Für Entscheidungen über bedeutsame Angelegenheiten kann die Bürgerschaft eine Enquetekommission einsetzen. Nötig ist ein Fünftel der Stimmen.

Neun Sachverständige werden von den Fraktionen benannt, hinzu kommen neun Politiker. Die Sitzungen sind öffentlich.

Zuletzt gab es 2006 eine Kommission zu Konsequenzen der Pisa-Studie. In der Folge wurde die Hauptschule abgeschafft.

Zuvor gab es von 1999 eine Kommission zu Strategien gegen Jugendkriminalität. Konträr zu deren Empfehlungen wurde 2003 ein geschlossenes Heim eingeführt.

Namentlich bekannt sind die der SPD. Neben Schrapper, der als Berater der Behörde in der Stadt bekannt ist, soll Thomas Möbius von der Evangelischen Hochschule des Rauhen Hauses dabei sein. Der Sozialwissenschaftler forschte unter anderem zu Straßenkindern. Von der Freien Universität Berlin kommt die Sozialpädagogin Ulrike Urban-Stahl hinzu, Expertin zu Beschwerdestellen in der Jugendhilfe. Aus Heidelberg ist Henriette Katzenstein eingeladen, Juristin beim dortigen Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht.

Die Grünen schlagen Heinz Kindler vor: Der Psychologe forscht am Deutschen Jugendinstitut in München und hat das „Handbuch Kindeswohlgefährdung“ mitverfasst. Die FDP benennt ihren Experten nächste Woche. Auch die CDU will jemanden vorschlagen. Ob auch die AfD dies tut, ist noch offen.

Ursprünglich hatte ein Bündnis, angeführt vom früheren Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer, weitergehende Fragen an das Parlament herangetragen: zum Beispiel die Rolle der Armut beim Aufwachsen der Kinder zu untersuchen oder auch die auswärtige Unterbringung von Kindern.

Das Bündnis soll weiter bestehen. „So bekommt das Parlament eine kritische und fundierte Begleitung aus der Zivilgesellschaft“, sagt die Linken-Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus. Wolfgang Hammer, früher Jugendhilfe-Abteilungsleiter soll für zwei Jahre einen „Projektauftrag“ zur Begleitung der Kommission bei der Linksfraktion übernehmen. Er sei zufrieden mit dem Ergebnis, sagt Hammer. Auch mit der Auswahl der Experten.

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