Jobcenter-Mitarbeiter im Stress: Zwei Monate Fehlzeit im Jahr

Die Jobcenter Neukölln und Charlottenburg in Berlin kämpfen mit einem hohen Krankenstand- und versuchen mit Tai-Chi und Antistresskursen gegenzusteuern.

Hartz IV: Zu viele Vorschriften stressen. Bild: dpa

BERLIN taz | 62 Kalendertage. Zwei Monate. So lange fehlt ein über den Bezirk beschäftigter Mitarbeiter im Jobcenter Neukölln pro Jahr. „Wir haben im Verhältnis zu anderen Jobcentern eine überdurchschnittliche Arbeitsbelastung“, sagte Klaus-Peter Hansen, Geschäftsführer im Jobcenter Neukölln, am Freitag der taz. „Doch wir betreiben auch Gesundheitsmanagement.“

Nach Zahlen im Tagesspiegel, die von der Regionaldirektion der Bundesagentur bestätigt wurden, fehlen auch im Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf die über den Bezirk beschäftigten Mitarbeiter 62 Kalendertage pro Jahr wegen Krankheit. Pikant daran ist, dass der Krankenstand der Jobcenter-Kollegen, die nicht beim Bezirk, sondern bei der Bundesagentur für Arbeit angestellt sind, sowohl in Neukölln als in Charlottenburg nur halb so hoch ist.

„Dabei handelt es sich teilweise um Leute, die im selben Büro sitzen“, sagte Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, der taz. Etwa ein Fünftel der ca. 6.800 Mitarbeiter der Berliner Jobcenter kommt aus den Bezirken, die meisten kommen aber von der Bundesagentur für Arbeit.

Hansen sieht einen Grund für den Unterschied in der Altersstruktur. Der Altersdurchschnitt der kommunalen, also über die Bezirke Beschäftigten liege bei „über 50 Jahren“, so Hansen. Viele seien schon sechs, sieben Jahre im Jobcenter tätig. Der Altersdurchschnitt der Kollegen von der Bundesagentur hingegen sei erheblich niedriger und sinke zudem, da die Agentur viele Nachwuchskräfte in die Jobcenter schicke, meinte der Geschäftsführer.

Tai-Chi für die Kollegen

Hansen wies zudem darauf hin, dass der Betreuungsschlüssel in den Jobcentern im Bundesdurchschnitt bei 120 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten pro Mitarbeiter liege, in Neukölln hingegen bei 140 pro Beschäftigten. Um dem hohen Krankenstand entgegenzuwirken, betreibe man aber seit zwei Jahren „Gesundheitsmanagement“ für die Mitarbeiter. „Wir bieten Tai-Chi-Kurse an, Kurse in Stressmanagement, Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitkranke“, so Hansen. Viele Ausfalltage seien zudem schwangerschaftsbedingt.

Im Bundesdurchschnitt liege der Krankenstand in den Jobcentern bei etwa 10 Prozent, sagte Uwe Lehmensiek, Vorsitzender der Jobcenter-Personalräte, der taz. Die Krankenquote unter allen ArbeitnehmerInnen in Deutschland betrug 2012 hingegen durchschnittlich nur 4 Prozent.

Viele Beschäftigte in den Jobcentern kämen mit dem Arbeitsanfall und der Doppelrolle aus Fördern und Fordern nicht klar, so Lehmensiek. „Zuckerbrot und Peitsche kann nicht jeder.“ Zudem stiegen die Leistungsanforderungen, etwa wenn Hartz-IV-Empfänger nebenbei erwerbstätig seien, was monatliche Neuberechnungen erfordert. Ein Problem sei zudem die Personalfluktuation, die in den Jobcentern der Großstädte 10 Prozent beträgt.

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