Jahresbilanz Bundesbankpräsident: Der flexible Rollenspieler

Bundesbankpräsident Jens Weidmann präsentiert sich als Hüter der Stabilität und Antipode zu EZB-Chef Mario Draghi. In der Praxis trägt er die Eurorettung mit.

Zwischen Politik und Bänkern ist enger Kontakt auf Augenhöhe wichtig: Jens Weidmann mit Finanzminister Schäuble. Bild: ap

BERLIN taz | An öffentlicher Beachtung mangelt es Bundesbankpräsident Jens Weidmann nicht. Mit Reden, Zitaten oder lancierten Informationen ist er häufig dann zur Stelle, wenn die Europäische Zentralbank in Sachen Eurorettung aktiv wird. Und oft geht der Tenor der Bundesbank in eine andere Richtung als der der EZB. Am 1. Mai ein Jahr im Amt, hat Weidmann sich als präsenter, wenn auch kooperativer Gegenspieler von EZB-Präsident Mario Draghi positioniert.

Das jüngste Beispiel der spannungsreichen deutsch-europäischen Konstellation war gerade erst zu beobachten: Die EZB ventiliert Möglichkeiten, wie die angeschlagenen spanischen Banken Geld aus dem Stabilitätsfonds ESM erhalten könnten. Weidmann sagte dazu, das komme überhaupt nicht in Frage. Nur Staaten dürften ESM-Hilfen erhalten – und auch nur gegen strikte Sparauflagen.

So ähnlich lief es in der Vergangenheit mehrmals ab. Zweimal versorgte die EZB die europäischen Privatbanken mit insgesamt rund 1.000 Milliarden Euro Zentralbankgeld zu äußerst günstigen Konditionen, um die Kreditvergabe am Laufen zu halten. Weidmann sagte nicht, dies sei falsch, bemerkte allerdings spitz: „Am Vorrang des Ziels der Preisstabilität darf es keine Abstriche geben.“

Der 44-jährige Bundesbankchef mit den jugendlichen Koteletten verficht die jahrzehntealte, traditionelle Position der Bundesbank – für öffentliche Sparsamkeit, im harten Kampf gegen die Inflation. Früher galt dieses Bemühen der D-Mark, heute dem Euro. Deshalb kämpft Weidmann gegen die „Monetarisierung der Staatsschuld“. Um kein Überangebot an Zahlungsmitteln entstehen zu lassen und die Inflation niedrig zu halten, lehnt er es grundsätzlich ab, dass die Notenbank Schulden von Regierungen übernimmt. Die Geldpolitik der EZB, die den Euro herausgibt, und die Fiskalpolitik der Staaten sollen streng voneinander getrennt bleiben.

Auch er trägt Verantwortung für das komplexe System

Außerdem warnt der Bundesbankpräsident davor, dass die Eurostaaten unter den gegenwärtigen Umständen zu große finanzielle Verantwortung füreinander übernehmen. Jedes Land sei selbst für einen ausgeglichenen Staatshaushalt verantwortlich und müsse mit dem Druck der Investoren, die bei hoher Verschuldung hohe Zinsen verlangen, allein zurechtkommen.

So weit die Theorie. In der Praxis ist die Bundesbank Teil des Eurosystems und Weidmann sitzt im EZB-Rat, wo das beschlossen wird, was er in der Öffentlichkeit kritisch hinterfragt. So trägt auch er die Verantwortung für das komplexe System der Eurostabilisierung, das mittlerweile in Europa rund 1.500 Milliarden Euro mobilisiert, um einen Staatsbankrott zu vermeiden. Offiziell betont Weidmann die „No-Bailout-Klausel“ im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die die gegenseitige Schuldenübernahme untersagt. Tatsächlich erscheint diese Regel aber sehr flexibel – wie der Bundesbankpräsident, der sagt: „Natürlich wäre es falsch, in dieser außergewöhnlichen Krise stur auf Prinzipien herumzureiten.“

Weidmann ist ein Pragmatiker und entgegen den Voraussagen früher Kritiker so unabhängig, wie es die Tradition der Bundesbank verlangt. Als er von seiner vorhergehenden Tätigkeit als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt Angela Merkels nach Frankfurt wechselte, warnten zahlreiche Beobachter vor zu engen Bindungen zwischen Bundesbank und Regierungszentrale. Letzteres hat sich nicht bewahrheitet. Unlängst erst kritisierte der ehemalige Abteilungsleiter das finanzpolitische Wirken des Kabinetts – Merkel und Schäuble sollten bitte etwas mehr Ehrgeiz beim Sparen an den Tag legen, so Weidmann.

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