Italiens neue Parlamentspräsidentin: Offen, ehrlich und moralisch

Laura Boldrini ist schon lange politisch aktiv. Ihre Kandidatur sollte ein Zeichen sein, dass auch Italiens Linke sich radikal erneuern will.

Laura Boldrini nach ihrer Wahl zur Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Bild: dpa

Selten gehen politische Karrieren so schnell. Laura Boldrini saß erst seit einem Tag im Parlament und fand sich schon auf den Stuhl der Präsidentin des Abgeordnetenhauses wieder. Doch so neu die 51-Jährige in der Politik ist, so bekannt ist ihr Gesicht dennoch dem italienischen Publikum.

Oft sah man sie in den letzten Jahren ihr in TV-Berichten, wenn sie einmal wieder auf der Insel Lampedusa war, um sich dort – als Sprecherin des Hohen UN-Kommissars für Flüchtlinge (UNHCR) – um eintreffende Bootsflüchtlinge zu kümmern und um in oft drastischen Worten der italienischen Regierung die Leviten für ihre oft genug skandalöse und unmenschliche Politik zu lesen.

Schon mit 20 war Boldrini das erste Mal nach Venezuela aufgebrochen, um dort das Leben der armen Bauern zu studieren. Nach einem Abschluss in Jura arbeitete sie zunächst als Journalistin, heuerte dann bei der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft an und wechselte 1998 zum UNHCR.

Dort machte sie ihren Job mit seltener Leidenschaft, die sie auf die Geburt ihrer Tochter vor 20 Jahren zurückführte: „Sie hat mir eine neue Sensibilität gegeben. Jedes Mal, wenn ich einen kleinen Flüchtling sehe, sehe ich sie. Am falschen Platz geboren zu werden – das macht den Unterschied.“

Ihre Stimme für Menschenrechte

Als die Regierung Berlusconi im Jahr 2009 im Bund mit Libyens Gaddafi ihre rigorose Rückschaffungspolitik von Bootsflüchtlingen auf hoher See begann, war Boldrini eine derjenigen, die ihre Stimme am lautesten gegen die menschenrechtswidrigen Praktiken erhoben.

Auch deshalb trug ihr die stramm linke Partei Sinistra Ecologia Libertà (SEL – Linke, Ökologie, Freiheit), die mit der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) verbündet ist, bei den letzten Wahlen die Parlamentskandidatur an. Es war dann PD-Parteichef Pierluigi Bersani, der sie als Präsidentin des Abgeordnetenhauses vorschlug.

Ihre Kandidatur als Parlamentspräsidentin sollte ein Zeichen der Wende sein, ein Zeichen, dass auch Italiens Linke sich radikal erneuern will. Boldrini hielt nach ihrer Wahl eine Antrittsrede, die um das Thema Menschenrechte kreiste, in der sie von den Tausenden Toten im Mittelmeer genauso sprach wie von der verlorenen Generation der im Prekariat gefangenen Jugendlichen. Stehende Ovationen nicht nur von der Linken, sondern auch aus den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung, waren die Antwort.

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