Israels Verteidigungsminister tritt zurück: Lieberman stürzt Regierung in Krise

Der Kurs gegenüber der Hamas sei eine „Kapitulation vor dem Terror“, sagt Israels Verteidigungsminister. Eine Neuwahl ist möglich.

Lieberman unter freiem Himmel, um ihn herum mehrere Männer, einige davon in Uniform

Gibt sich gern härter als Hardliner Netanjahu: Avigdor Lieberman Foto: reuters

JERUSALEM taz | Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman tritt aus Zorn über die Entscheidung des Sicherheitskabinetts für einen Waffenstillstand mit der Hamas zurück. Seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren sei er in vielen Punkten anderer Meinung gewesen als Regierungs- und Likud-Chef Benjamin Netanjahu, erklärte er am Mittwoch vor Journalisten in der Knesset in Jerusalem.

Zu seiner Entscheidung beigetragen habe auch die Zustimmung der Regierung, 15 Millionen US-Dollar aus Katar in den Gazastreifen transferieren zu lassen. Niemand könne behaupten, die Kontrolle über das Geld zu haben, sobald es Gaza erreiche. Beide Entscheidungen seien eine „Kapitulation vor dem Terror“. Israel „kauft sich Ruhe für kurze Zeit“, sagte Lieberman, werde langfristig aber „einen größeren Preis bezahlen“.

Lieberman tritt mit der gesamten Fraktion seiner Partei Israel ist unser Haus zurück. Damit wird eine Neuwahl des Parlaments wahrscheinlich, auch wenn die Regierungskoalition theoretisch mit einer knappen Mehrheit von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier weiterregieren könnte. Lieberman schlug vor, dass „so schnell wie möglich ein Termin für Neuwahlen gefunden“ werde. Die Siedlerpartei Das jüdische Haus forderte, dass Parteichef und Bildungsminister Naftali Bennett das Verteidigungsressort übernehme. Andernfalls werde auch sie sich aus der Koalition verabschieden.

Die Entscheidung, die Angriffe auf Gaza einzustellen, nachdem die Islamisten Israel mit fast 500 Raketen und Mörsergranaten beschossen hatten, war von Politikern und Anwohnern der Ortschaften nahe des Gazastreifens kritisiert worden. In der Stadt Sderot, deren Einwohner am stärksten unter den palästinensischen Angriffen litten, brannten in der Nacht zu Mittwoch Autoreifen. Demonstranten blockierten eine Verkehrskreuzung aus Frustration darüber, dass die Regierung keine Lösung für die schlechte Sicherheitslage parat habe.

Mehr als ein Dutzend Palästinenser getötet

Der Schlagabtausch zwischen Israel und der Hamas, der am Sonntag von einem missglückten Undercover-Einsatz eines israelischen Sonderkommandos im Gazastreifen ausgelöst worden war, kostete 13 Palästinensern im Gazastreifen, einem israelischen Offizier und einem Zivilisten in Aschkelon das Leben. Zudem hätten Marinesoldaten nach Beginn der Waffenruhe am Mittwoch einen Fischer nahe der Grenze zu Israel erschossen, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza mit.

Tausende Palästinenser feierten in der Nacht zu Mittwoch den „Sieg über die Zionisten“. Liebermans Rücktritt kommentierte ein Hamas-Sprecher als „Niederlage und Hilflosigkeit angesichts der palästinensischen Widerstandstruppen“.

Federführend bei der Vermittlung des Waffenstillstands und der in der vergangenen Woche getroffenen Einigung über die Finanzspritze aus Katar war der ägyptische Geheimdienst. Israel soll nun die Grenzübergänge für den Import von Treibstoff lockern.

Im Gegenzug verpflichtete sich die Hamas, Gewalt in der Grenzregion zu unterbinden. Für kommende Phasen des Abkommens stehen humanitäre Projekte, der Bau einer Wasserentsalzungsanlage und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Gazastreifen zur Debatte. Israel hofft auf die Auslieferung zweier Staatsbürger sowie die sterblichen Überreste mehrerer gefallener Soldaten.

Netanjahu rechtfertigte sich am Mittwoch zum Waffenstillstand. Er habe „nicht die leichte, sondern die richtige Entscheidung“ getroffen. Die Öffentlichkeit könne „nicht immer Partner kritischer Entscheidungen sein, die vor dem Feind geheimgehalten werden müssen“. Er selbst überblicke das „gesamte Bild der Sicherheit Israels“, versprach Netanjahu im Verlauf einer Gedenkveranstaltung für Israels ersten Regierungschef David Ben-Gurion am Mittwoch. Auch Ben-Gurion habe schwere Entscheidungen treffen müssen, zog Netanjahu einen Bogen. „Am Ende stellte sich heraus: Er hatte Recht.“

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