Israelischer Luftangriff auf Syrien: USA und Europa schweigen

Wollte die Luftwaffe ein syrisches Chemiewaffen-Labor oder einen Konvoi mit Kriegsgerät für die Hisbollah im Libanon treffen? Das Ziel ist nach wie vor unklar.

Viele Israelis tauschten ihre alten Gasmasken gegen neue. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Einig ist sich die Berichterstattung nur darüber, dass es einen israelischen Angriff gegeben hat. Ob es ein Waffenkonvoi war, der sich auf dem Weg zu den libanesischen Extremisten der Hisbollah (Partei Gottes) befand, oder ob das Ziel eine syrische Forschungsstation für Chemiewaffen war, wie aus Damaskus verlautete, bleibt gut einen Tag nach dem Bombenabwurf in der Nacht zum Mittwoch weiter unklar.

Während in den USA und Europa der Vorfall zunächst nicht kommentiert wurde, löste er in Moskau „Besorgnis“ aus. Offenbar hatte der Konvoi moderne Luftabwehrraketen des Modells SA-17 geladen, die in Russland produziert werden. Die Hisbollah kritisierte Israels Vorgehen offen, und auch im Iran war von einer „brutalen Aggression“ die Rede. Die Regierung in Jerusalem bewahrt weiter Stillschweigen.

C-Waffen oder Luftabwehrraketen in den Händen der Hisbollah, die Israel in ihrem Parteiprogramm als „den kleinen Teufel“ bezeichnet, den es zu vernichten gilt, sind für Israel ein Unding. Schon im Sommer letzten Jahres erklärte der damalige Außenminister Avigdor Lieberman, mit dem Transfer von nichtkonventionellen Waffen an die schiitischen Extremisten werde eine „rote Linie überschritten“ und Israel werde alles unternehmen, um das zu verhindern.

Nichtkonventionelle Waffenarsenale

Auch die USA beobachten mit Sorge den näher rückenden Sturz des syrischen Regimes. Dessen nichtkonventionelle Waffenarsenale gehören zu den größten weltweit.

Die US-Regierung bemüht sich um eine Einigung mit den syrischen Rebellen, heißt es in Berichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Israel. Im Gegenzug für die amerikanische Unterstützung im Kampf gegen das Regime wolle Washington sicherstellen, dass die gefährlichen Stoffe nach dem Sturz auf keinen Fall in nichtstaatliche Hände fallen.

Solange das Regime in Damaskus noch mitentscheiden kann, wer die syrischen Waffen erbt, liegt die Hisbollah nah. Ihre Kämpfer stehen in diesen Tagen Seite an Seite mit den Truppen von Präsident Baschar al-Assad.

Syrien ist das Bindeglied zwischen dem Iran und der Hisbollah, die iranische Revolutionsgarden einst aufbauten. Über syrisches Territorium führen die Rüstungstransporte aus Teheran in den Libanon.

Brigadegeneral (a. D.) Schlomo Brom, ehemals Direktor der militärischen Strategieplanungs-Division, glaubt aber nicht, dass Syrien C-Waffen an die Hisbollah liefern wird. „Es gibt keinen Präzedenzfall für den Transfer chemischer Waffen aus staatlichem Besitz an eine nichtstaatliche Organisation.“ Brom fragt sich, ob die Hisbollah an den chemischen Waffen, „die gegen eine mit Gasmasken gut geschützte Bevölkerung, wie die israelische, doch kaum etwas ausrichten könnten“, überhaupt interessiert sei.

Tausch der Gasmasken

In den vergangenen Tagen meldeten sich Tausende Israelis, um ihre veralteten Gasmasken gegen neue zu tauschen. Außerdem stationierten Sicherheitskräfte im nördlichen Grenzgebiet zwei neue Raketenabwehranlagen.

Der Transfer der modernen Raketen „made in Russia“ ist für Israels Nachrichtendienste und für die Luftwaffe problematisch. Vorläufig kann die Hisbollah den israelischen Aufklärungsflügen am Himmel von Beirut genauso wenig anhaben wie den Kampfflugzeugen und Hubschraubern.

Durch die Luftwaffe war Israel 2006, als es infolge der Entführung zweier Soldaten zum Krieg kam, entscheidend im Vorteil. Beim Kampf am Boden musste die Armee schon damals unerwartet hohe Verluste einstecken.

Im Moment rechnet man in Israel weder mit einem Vergeltungsschlag der Hisbollah noch aus Syrien. Vom Bürgerkrieg abgesehen, hatte die Regierung in Damaskus schon im September 2007, nach dem israelischen Angriff auf eine Atomforschungsanlage, ihre Drohungen, den Angriff zu rächen, nicht wahrgemacht. Auch die gezielte Tötung des Hisbollah-Funktionärs Imad Mughniyah, der im Februar 2008 in Damaskus aller Wahrscheinlichkeit nach dem israelischen Geheimdienst zum Opfer fiel, blieb bis heute unbeantwortet.

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