Ex-Uni-Präsident zur Hochschulpolitik: „Es gibt Scheingefechte“

Der frühere Uni-Präsident Jürgen Lüthje will in der Wissenschaftspolitik einen Konsens bewirken. Teilweise pflichtet er seinem Nachfolger bei.

"Es ist Unsinn, diesen Standort schlechtzureden", sagt Jürgen Lüthje, langjähriger Uni-Chef. Bild: Karin Desmarowitz

taz: Herr Lüthje, Sie haben mit der früheren Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel ein Papier geschrieben und bieten an, im Namen der Patriotischen Gesellschaft im „Wissenschaftsstreit“ zu vermitteln. Wer streitet da – und worüber?

Jürgen Lüthje: In der Wissenschaftspolitik werden nach unserem Eindruck Dissense zelebriert und Scheingefechte geführt. Sieht man genau hin, gibt es in dieser Stadt einen großen Konsens, der aber nicht sichtbar wird: Wenn Hamburg die Vision hat, in zehn, 15 Jahren Wissenschaftsmetropole zu werden, sind die Ausgangsbedingungen hervorragend. Es ist Unsinn, diesen Standort schlechtzureden.

Die hiesigen Hochschulen böten Mittelmaß, schreiben Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sowie die Ex-Senatoren Wolfgang Peiner und Willfried Maier in ihrem Papier „In Sorge um Hamburg“.

Womit sie nicht Recht haben.

Warum spricht keiner über Dohnanyis alte Rolle? Er leitete 2003 eine Kommission, nach deren Plänen die Hochschulen komplett umgestaltet wurden.

Die Uni hat damals alle sinnvollen Vorschläge umgesetzt, zum Glück aber nicht alle. Der Plan etwa, die Geisteswissenschaften zu halbieren, wäre falsch gewesen. Hamburg hat auch dort hervorragende Sonderforschungsbereiche, etwa zu Mehrsprachigkeit oder zu Manuskriptkulturen. Aber der grundsätzliche Impuls, den Dohnanyi, Peiner und Maier setzen, ist sinnvoll: Dass diese Stadt sich zum Ziel setzt, Wissenschaftsmetropole zu werden. Dafür will die Patriotische Gesellschaft einen Konsens vermitteln. Wir bitten alle wichtigen Akteure an einen Tisch.

Auch Dohnanyi und Maier?

Sie haben leider kein Interesse gezeigt. Aber Fraktionen, Kammern, Gewerkschaften, Hochschulen, wissenschaftliche Einrichtungen sowie die wissenschaftsfördernden Stiftungen sind eingeladen.

73, ist Jurist und war von 1991 bis 2006 Präsident der Universität Hamburg. Seit März 2014 sitzt er im Vorstand der "Patriotischen Gesellschaft von 1765".

Geht es nicht ums Geld? Wenn die Hochschulen pro Jahr nur 0,88 Prozent mehr bekommen, können sie steigende Kosten nicht decken.

Das stimmt, die Tarifsteigerungen liegen bei drei Prozent, das führt zu einer Streichung von 1,5 bis zwei Prozent der Stellen im Jahr. Das ist viel. In fünf Jahren sind sie schon bis zu zehn Prozent Streichung. Deshalb müssen die Hochschulverträge nach der Wahl nachverhandelt werden, wie das in diesen Vereinbarungen vorgesehen ist. Perspektivisch muss sich der Bund stärker an der Grundausstattung der Hochschulen und der Finanzierung überregional bedeutsamer Forschung beteiligen.

Ihr Nachfolger Dieter Lenzen hat über die Uni-Gebäude gesagt, „solche Ruinen gibt es sonst nirgends“.

Die Universität ist keine Ruine. Aber sie hat zu viele Gebäude, die noch in einem schlechten Zustand sind, wie die Wirtschaftswissenschaften, die Theologie, die Zoologie und den Philosophenturm. Zum Ende meiner Amtszeit 2006 gab es ein vollständig mit der Wissenschaftsbehörde abgestimmtes Sanierungsprogramm, das aber nicht umgesetzt wurde. Der unselige Plan, die Universität in den Hafen an den Kleinen Grasbrook zu verlagern, hat fünf Jahre die bauliche Sanierung unterbrochen. Das Geld für die Sanierung des Philosophenturms floss in die Media School.

Der Phil-Turm hat nur noch eine Betriebsgenehmigung bis 2016, vor der Theologie stehen Bretterzäune. Verstehen Sie den Ärger Ihres Nachfolgers?

Er hat in der Sache Recht.

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