Internetverfassung in Brasilien: So lässt sich Freiheit regulieren

Es ist das weltweit weitreichendste Gesetz zum Schutz digitaler Bürgerrechte. Nun will Brasilien ähnliche Maßnahmen auch international verankern.

Für mehr Rechte im Netz: Protest auf der Internetkonferenz NETmundial in São Paulo. Bild: dpa

RIO/BERLIN taz | Geht es um die sogenannte Netzneutralität, dann herrscht in Europa schnell Geschrei: Nur die Gleichbehandlung aller Datenströme im Internet, sagen Aktivistinnen wie Netzpolitiker, garantiere ein freies, gleichberechtigtes Netz. Doch längst ist nicht geklärt, wie die Zukunft eines „freien Netzes“ weltweit aussehen soll. Und: Wie kann man Freiheit regulieren?

Laut US-Medienberichten stehen US-Behörden nun kurz davor, eine „Überholspur auf der Datenautobahn“ einzurichten. Demnach sollen große Unternehmen künftig gegen Aufpreis ihre Datenpakete schneller als andere durchs Netz schicken dürfen. Kritiker warnen nun vor dem Einstieg in ein Zweiklasseninternet, bei dem zahlungskräftige Nutzer künftig bevorzugt werden.

In Europa beschloss das Parlament zwar Anfang April, die Netzneutralität fest zu verankern. Ob dies jedoch tatsächlich geschieht, ist noch offen. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, forderte daher am Donnerstag, die Netzneutralität müsse in Deutschland rasch gesetzlich verankert werden.

USA, Europa, Deutschland – geht es um eine nutzerfreundliche Gestaltung von Internetregulierung, lohnt der Blick nach Brasilien. Dort kamen bis Donnerstag Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft aus 87 Ländern auf der Internetkonferenz NETmundial zusammen, um sich über die künftige Gestaltung und Verwaltung des Internets auseinanderzusetzen.

Aus Ärger über die Spionageprogramme der NSA hatte die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff die Konferenz selbst einberufen. Ziel sei es, „die Rechte, die die Menschen offline haben, auch online zu schützen“, sagte Rousseff, deren eigene Telefonate über Jahre vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht wurden.

Recht auf aussagekräftige Internetverträge

Erst am Mittwoch hatte Rousseff ein Gesetz unterschrieben, das von vielen als „Internetverfassung“ bezeichnet wird und unter anderem die Netzneutralität gesetzlich festschreibt. Für diesen „Grundrechtekatalog des Internets“ hatte die Regierung seit 2009 auch unter Einbeziehung von Bürgern Ideen gesammelt.

Entstanden ist das derzeit weltweit wohl weitreichendste Gesetz zum digitalen Bürgerrechtsschutz. Es definiert unter anderem das Recht auf einen Internetzugang, das Recht auf Privatsphäre und aussagekräftige Internetverträge.

Das Gesetz soll die Einhaltung von Bürgerrechten im Netz gewährleisten und etwa dafür sorgen, dass Daten von Internetnutzern vor Spionage und Missbrauch geschützt werden. Außerdem unterstützt es die Entwicklung offener technologischer Standards und quelloffener Systeme – für viele Bürgerrechtler rund um den Globus ist das ein Traum. Vor allem große Internetunternehmen und ihre Lobbyisten hatten sich hingegen zuvor zur Wehr gesetzt.

Brasilien sieht sich als Vorreiter und sähe ähnliche Maßnahmen nun auch gern auf internationaler Ebene verankert. Wie schwierig dieses Unterfangen angesichts der zahlreichen widerstreitenden Interessen ist, zeigte sich jedoch auf der Konferenz am Donnerstag. Konsens ist lediglich, dass die zentrale Rolle der USA bei der Verwaltung bestimmter Internetstandards und -adressen eingeschränkt werden soll.

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