Internationales Turnfest in Berlin: „Die Sportvereine werden flexibler“

Ab Freitag findet das Internationale Deutsche Turnfest in Berlin statt. Es soll die Berliner zu mehr Sport im Verein motivieren, sagt Organisatorin Kati Brenner.

80.000 TeilnehmerInnen werden zum Internationalen deutschen Turnfest in Berlin erwartet Foto: DPA

taz: Frau Brenner, erst mal ein paar Zahlen zur Einstimmung: eine halbe Million Schrippen für die TeilnehmerInnen, vier Tonnen Butter, zwei Tonnen Kaffee. Zweieinhalb Jahre Vorbereitungszeit, 80.000 Mitwirkende, über 1.000 Helfer. Ist ein Turnfest so aufwändig zu organisieren, wie das klingt?

Kati Brenner: Eine solche Veranstaltung benötigt einen unvorstellbar langen Vorlauf. Wir haben 400 parallele Veranstaltungen in einer Woche, und jede muss vorbereitet werden. Nicht die Einzelveranstaltungen sind das Problem, sondern die Schnittstellen. 1.900 Einzelhelfer müssen akquiriert werden, wir haben uns 500 Schulen für die Übernachtungen angeguckt. Wir sind knapp 70 Hauptamtliche und über tausend Ehrenamtler. Von der Komplexität her ist das einzigartig.

Es war von Problemen die Rede, etwa bei der Freiwilligensuche. Wie ist da der Stand der Dinge?

Es gab ein paar kleinere Baustellen. Die gibt es aber immer bei solchen Veranstaltungen. Es ist schwieriger geworden, in dieser Anzahl ehrenamtliche Helfer zu bekommen. Wir werden bis zum Schluss noch Helfer suchen. Ansonsten sind wir überall im Soll.

Ist Berlin als Standort dabei eher Hilfe oder Hindernis? Die Konkurrenz an Veranstaltungen ist hier sehr groß.

Es ist sicherlich nicht einfach in Berlin. Der Anspruch an das kulturelle Leben ist hoch, und wir müssen uns der Konkurrenz stellen. Auf der anderen Seite nutzen die Berliner aber solche Veranstaltungen auch gern. Und das Turnfest ist ein Stück weit einzigartig. Das letzte Mal gab es das hier 2005. Damals haben wir allerdings in der Auswertung festgestellt, dass das Turnfest eigentlich nicht richtig in der Stadt angekommen war.

war mehrfache nationale ­Meisterin in Sportakrobatik und ist seit 2015 Geschäftsführerin des Organisationskomitees ­Internationales Deutsches ­Turnfest Berlin 2017. Sie war schon ab 2005 an der Organisation der Turnfeste beteiligt, damals als Geschäftsführerin des Landesturnverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

Inwiefern?

Es gab wenig langfristige Effekte auf die Vereine. Jetzt haben wir das neue Rahmenprogramm „Berlin turnt bunt“ mit den drei Säulen „Schule aktiv“, „Kiez aktiv“ und „Sportmetropole Berlin“. Es wird über tausend Angebote in den Kiezen geben, wo Bürger Sportarten ausprobieren können, und wir werden uns zwei Tage lang am Brandenburger Tor präsentieren. Natürlich sind auch die Sportvereine affiner, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Angebot vorzustellen, als wenn man sie nur bittet, Frühstück auszugeben.

Müssen sich die Vereine anders aufstellen?

Ich glaube, sie tun es schon, indem sie flexibler werden. Gerade hier in Berlin setzen die Vereine das bereits um. Natürlich sind 24-Stunden-Öffnungszeiten schwierig, aber was einen Sportverein ja auch ausmacht, ist das Gemeinschaftsgefühl. Da gucken genauso die Sportstudios auf die Vereine und versuchen, diese Wohlfühlstimmung zu erzeugen. Beide Seiten nähern sich an.

Ist denn Gemeinschaftsgefühl überhaupt noch gewünscht?

In meiner Generation schon! Menschen wollen etwas miteinander machen. Sport ist nicht nur Individualität.

Was soll vom Turnfest noch bei den Berlinern hängen bleiben?

Das Turnfest gibt es seit 1860. Es findet im Vier-Jahres-Turnus in wechselnden deutschen Städten statt, in Berlin zuletzt 2005. Ursprünglich war das Deutsche Turnfest nationalistisch aufgeladen und galt der Nationalstaats-, später der NS-Propaganda. Seit 2005 es Internationales Deutsches Turnfest.

Das Programm besteht aus über 400 Wettkämpfen in 24 Disziplinen, Galas und Workshops. Besonderheit ist die Mischung aus Breiten- und Spitzensport. Es gibt Deutsche Meisterschaften mit Topathleten, Breitensport-Wettkämpfe, Mitmachangebote in den Kiezen, künstlerische Shows und Bildungsangebote. Nach eigenen Angaben ist das Turnfest das größte Breitensport­event der Welt. Rund 80.000 Teilnehmer werden erwartet.

Highlights sind die Stadiongala im Olympiastadion am 6. Juni mit 6.000 Akteuren und die Turnfestgala in der Arena am Ostbahnhof am 4. Juni mit internationalen Artisten. Für Kinder und Familien gibt es am 9. Juni eine große inklusive Kinder-Turnshow. Das Turnfest geht vom 3. bis 10. Juni und findet überall in der Stadt statt, mit Schwerpunkten auf dem Messegelände und der Max-Schmeling-Halle.

Das volle Programm gibt es unter www.turnfest.de. (asc)

Dass Turnen nicht nur Geräteturnen ist, sondern auch Rope Skipping oder Prellball. Ich hoffe, dass die Vereine einen Mitgliederzuwachs bekommen. Und es wird sicherlich eine hohe Wertschöpfung da bleiben, weil die Wirtschaftlichkeit von Turnfesten immer hervorragend ist.

Eine Veranstaltung dieser Größenordnung funktioniert nicht in vielen Städten. Kommt das Turnfest nach Berlin zurück?

Ich hoffe, dass Berlin in regelmäßigen Abständen Standort sein wird. Die Berliner selbst sind mit dem „Feuerwerk der Turnkunst“ aufmerksam geworden, dass es solche Veranstaltungen gibt. Aber wir müssen noch viel Medienarbeit machen, damit sie wissen, was die Stadiongala ist. Und was sie verpassen, wenn sie nicht hingehen.

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