Internationaler Tag des Glücks: „Beruflicher Erfolg ist ein Fetisch“

Heute ist Internationaler Tag des Glücks. Hartmut Lühr von der satirischen Initiative „wir sind wichtig“ findet, dass uns das Streben nach Karriere ins Unglück stürzt.

Höher, schneller, hoch auf den Chefsessel? Karrierestreben und Glück gehen nur selten Hand in Hand, findet Hartmut Lühr. Bild: ap

taz: Herr Lühr, heute ist Internationaler Tag des Glücks - mit Ihrer Initiative „wir sind wichtig!“ prangern Sie beruflichen Erfolg als das vermeintliche Glück unserer Zeit an. Was ist so schlimm daran, wenn Leute in ihrem Job etwas erreichen wollen?

Hartmut Lühr: Nach sechs Jahren des Bestehens unserer Initiative schält sich ein Grundmotiv der Menschen, die sich für uns interessieren, heraus: In ihrem Inneren wissen die Menschen, dass Karriereorientierung und private Glückserfahrung nur höchst selten Hand in Hand gehen. Sie suchen daher nach glaubwürdigen Instanzen, die ihnen bestätigen: Ja, es ist richtig, dass Du Dein persönliches Glück wirtschaftlichen Zusammenhängen unterordnest. Sie bekommen diese Bestätigung bereits seit Jahren von Politik und Medien frei Haus geliefert, aber die Zweifel sitzen offenbar doch sehr tief. Also suchen sie jetzt auch verstärkt in Kunst und Kultur danach.

Bei satirischen Initiativen wie Ihrer?

Indem wir Begriffe aus dem Politsprech aufgreifen, die sich de facto sehr stark an beruflichem und wirtschaftlichem Erfolg orientieren, zeigen wir die Unzulänglichkeit dieser Konzepte auf. Den Äußerungen der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Bundestages anlässlich des Internationalen Tags des Glücks, zum Beispiel, kann man daher wohl lediglich einen Alibi-Charakter mit Feigenblattfunktion attestieren.

Was meinen Sie mit „Alibi-Charakter“?

Es sollte vor allem von der Politik aufrichtiger als bisher kommuniziert werden, dass beruflicher Erfolg eben der Fetisch der modernen Zeit ist. Gegen dessen Nebenwirkungen, wie Einsamkeit und familiäre Entwurzelung, weisen wir im Sinne der Wirtschaft auf geeignete Gegenmittel hin: So können etwa durch erweiterte Konsumchancen Einsamkeitsgefühle kompensiert werden.

Das meinen Sie jetzt nicht ernst. Nutzt sich Satire als alleiniges Mittel des Protests nicht irgendwann ab?

Durch stetig sinkende Schamgrenzen nähert sich die Politik seit Jahren unfreiwillig immer mehr der Satire an. Mediennutzer fragen sich immer häufiger: Ist das jetzt eigentlich noch Politik oder bereits Satire? Das ist einerseits aus demokratietheoretischer Sicht erschreckend, andererseits kann der gesellschaftspolitische Wirkungsgrad der Satire gegenwärtig gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Als Bürger ist mir diese Entwicklung unheimlich, als Satiriker kommt sie mir natürlich sehr gelegen. Man ist als Satiriker heute wichtiger als man eigentlich sein sollte.

43, studierter Soziologe und Mitinitiator der 2007 gegründeten Plattform für politische Satire moderne21, aus der die Initiative „wir sind wichtig!“ hervorging.

Was machen Sie am Internationalen Tag des Glücks?

Ich gehe aufs Finanzamt – und lasse mich nicht unterkriegen.

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