Internationaler Frauentag: Union diskutiert Männlichkeit

Zum Frauentag forderte Kanzlerin Merkel von den Männern ein neues Rollenverständnis. Die ersten Koalitionspolitiker zeigen sich überraschend selbstkritisch.

Regt ihre Jungs zum Nachdenken an: Angela Merkel. Bild: reuters

BERLIN taz | In der Koalition ist eine Debatte über die Emanzipation der Männer in der Gesellschaft entbrannt. "Es sind derzeit nicht selten die Männer, die Probleme haben, ihre Rolle zu finden", sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, zur taz, "insofern brauchen sie sicher mehr Selbstbewusstsein".

Jungen seien die Bildungsverlierer von heute, sagte Spahn der taz: "Im Bildungssystem etwa haben heute die Jungs aus der Stadt Probleme, nicht wie früher die Mädchen vom Land."

Joachim Herrmann (CSU), Innenminister in Bayern, sieht Nachholbedarf im Alltag. "Gleichberechtigung von Mann und Frau ist heute juristisch eine Selbstverständlichkeit, praktisch gibt es aber noch viel zu tun", sagte Herrmann zur taz.

Zum Weltfrauentag ist die Debatte um Frauenquoten neu entfacht. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel der Forderung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) nach einer gesetzlichen Frauenquote für Führungspositionen eine Absage erteilt hatte, plädiert SPD-Vize Manuela Schwesig erneut für eine 40-Prozent-Quote für Vorstände und Aufsichtsräte.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kritisierte die Ankündigung der SPD, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorzulegen. Eine gesetzliche Einheitsquote fördere keine Chancengleichheit, sagte Schröder in den Ruhr Nachrichten: "Vom gesetzlichen Quotenzwang profitieren diejenigen Frauen, die in diesen Strukturen bestehen können - zum Beispiel indem sie auf Kinder verzichten."

Für den 30. März plant die Bundesregierung einen sogenannten Quotengipfel. Mit den Arbeitsdirektoren der 30 Dax-Unternehmen, Familienministerin Schröder, Arbeitsministerin von der Leyen (beide CDU) sowie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP).

Hintergrund der Debatte ist ein Gastbeitrag von Kanzlerin Angela Merkel in der Sonderausgabe der taz zum 100. Internationalen Frauentag (Ausgabe vom 8. 3.). Darin hatte die CDU-Politikerin die Männer aufgefordert, über sich nachzudenken. "Ich bin überzeugt: Sie haben viel zu gewinnen", schreibt Merkel. Und: "Wenn junge Väter heute selbstverständlich Elternzeit nehmen, wenn ich sie in Berlin mit ihren Kindern auf den Spielplätzen sehe, dann haben sie keine alte Rolle aufgegeben, sondern eine neue, positive hinzugewonnen."

Johannes Vogel, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, fühlt sich durch Merkels Statement "selbstverständlich angesprochen: Allgemein und persönlich", sagte Vogel gegenüber der taz. In der Generation des 29-Jährigen sei es "absolut normal, dass Väter Elternzeit nehmen. Darüber muss ich gar nicht nachdenken." In seinem Freundeskreis kenne er kein Paar, bei dem das klassische Rollenmodell gelebt werde: der Mann als Alleinverdiener, die Frau als Hausfrau und Mutter.

Für jüngere Frauen und Männer spielt dieses Modell eine immer geringere Rolle. Das belegen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach will nur jede vierte Frau ausschließlich für Kinder und Haushalt zuständig sein. Bezeichneten sich 1999 mehr als 12 Millionen Frauen als Hausfrauen, waren es zehn Jahre später nur noch 8,8 Millionen.

Ursula von der Leyen (CDU) hatte in ihrem Amt als Familienministerin 2007 das Elterngeld und die Vätermonate eingeführt. Seitdem nehmen etwa 25 Prozent der Väter die beiden Vätermonate in Anspruch. Vor der Einführung des Elterngeldes waren es knapp 4 Prozent.

Dirk Niebel, FDP-Entwicklungshilfeminister, hatte 2005 als einziger männlicher Bundestagsabgeordneter zwei Jahre Erziehungsurlaub genommen. Seine Umwelt hatte darauf mit Irritation reagiert. "Die unterschwellige Reaktion war: Mann macht so etwas nicht", sagte Niebel damals in einem Magazininterview.

Auch die ältere Generation der Union fühlt sich nun durch Merkels Aufforderung angesprochen. "Männer sollten sich nicht emanzipieren, sondern sich zurücknehmen", sagte Parteiikone Heiner Geißler: "Männer sollten sich öfter mal fragen, ob sie ihre Ehefrau als Putzfrau zum Nulltarif halten". Merkels Forderung finde er "sehr gut": "Für Gleichberechtigung ist es nie zu spät."

Trotz allem plädiert FDP-Mann Vogel dafür, dass jedes Paar eine "individuelle Lösung findet. Jede Familie soll es so machen, wie es für sie am besten ist." Er empfindet es "für angebracht, jederzeit über "Geschlechterrollen nachzudenken, vor allem beruflich". Er selbst habe es schon erlebt, dass "gemischte Teams anders arbeiten als Teams, in denen nur Männer vorkommen: Gemischt ist es einfach besser."

Die Politik müsse es Männern leichter machen, "ein neues Selbstverständnis zu leben", schreibt Merkel in ihrem taz-Text: "Bitte keine schiefen Blicke mehr, wenn der junge Vater früher das Büro verlässt." Diesen Wunsch unterstützt auch CSU-Politiker Joachim Herrmann. Er habe das schon vor zehn Jahren so gemacht und dabei zahlreiche Väter getroffen. Privat hat er eigenen Aussagen zufolge aber einiges nachzuholen. Er gibt offen zu, dass "bei meinem hektischen Leben als Berufspolitiker meine Frau die Hauptrolle in der Familie spielt".

Herrmann war als Nachfolger des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch, hatte einen Wechsel nach Berlin aber abgelehnt, weil er das Amt mit seiner Familie nicht in Einklang bringen könne.

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