Intendantenwahl beim SWR: Die Qual der Wahl

Beim SWR soll ein neuer Intendant oder eine neue Intendantin gewählt werden. Schon das Bewerbungs- und Auswahlverfahren sorgt für Ärger.

Das Logo des SWR ist auf dem Funkhaus des Senders zu sehen

Der SWR hat drei Standorte: in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz Foto: dpa

Eigentlich rühmen sich die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Staats­ferne. Doch gerade wenn es um Entscheidendes geht, die Wahl eines oder einer neuen IntendantIn, dann zeigt sich, dass das mit der Politikferne doch nicht ganz so hinhaut.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Südwestrundfunk, bei dem eine Intendanten-Wahl ansteht und wo sich seit Wochen die Absurditäten des Öffentlich-Rechtlichen zeigen: Ein Gremium macht dem anderen Vorschläge, das diese wiederum torpedieren möchte, hinter verschlossenen Türen fallen Entscheidungen, die senderweit für Ärger sorgen, nebenbei reden auch noch die MinisterpräsidentInnen mit.

Soweit zum alltäglichen ARD-Hickhack. Ansonsten ist einiges außergewöhnlich an der anstehenden Intendantenwahl beim SWR. Da ist zum Ersten der Termin: Turnusgemäß müsste das Wahlgremium noch gar nicht zusammentreten. Doch der amtierende Intendant Peter Boudgoust kündigte Ende vergangenen Jahres überraschend an, sein Amt vorzeitig abzugeben – weil er dann 65 ist und nicht den Kurs „bis zum letztmöglichen Tag bestimmen“ wolle.

Also muss ein neuer Intendant her oder besser: eine neue Intendantin. Denn Frauen sind unter den obersten Führungskräften der ARD noch immer rar. Nur zwei der aktuell neun obersten ARD-Chefs (ab 1. August drei mit Radio Bremen) sind weiblich. Es wäre also an der Zeit. Allerdings gibt es unter den Bewerberinnen nur eine Frau – womit wir beim nächsten Außergewöhnlichen wären: dem Bewerbungs- und Auswahlverfahren.

Gesucht wird …

Mitte Januar erschien in der Zeit, der Süddeutschen und der FAZ die Stellenausschreibung. Gesucht wurde „eine starke, authentische Persönlichkeit mit Entscheidungskraft, Führungserfahrung, sozialer Kompetenz und stark ausgeprägten analytischen, strategischen und kommunikativen Fähigkeiten“, die in der Lage sei, „eine Rundfunkanstalt von der Größe des SWR zu führen“. Was da nicht stand: Von dem oder der Neuen wird erwartet, dass er oder sie die Zweiländeranstalt für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit ihren drei Standorten in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz endlich richtig zusammenführt. Vor 21 Jahren wurden der Süddeutsche Rundfunk und der Südwestfunk zum SWR fusioniert, die alten Gräben bestehen zum Teil heute noch. Zum Gehalt machte die Annonce auch keine Angaben, Boudgoust verdiente zuletzt 338.000 Euro.

15 Bewerbungen sollen eingegangen sein, Anfang März trat eine 12-köpfige Findungskommission zusammen, um dem Verwaltungs- und Rundfunkrat die geeignetsten BewerberInnen vorzuschlagen. Auch das ist ungewöhnlich, juristisch ist die Kommission umstritten, der Rundfunkstaatsvertrag sieht sie nicht vor.

Die Kommissionsmitglieder einigten sich, so drang es heraus, auf zwei KandidatInnen: Kai Gniffke, SWR-Gewächs mit SPD-Touch, aber seit 13 Jahren im Überregionalen tätig, als Chef von „ARD Aktuell“ und damit unter anderem der „Tagesschau“, und Stefanie Schneider, Grün-nah und SWR-Landessenderdirektorin für Baden-Württemberg. Im Sender sorgte diese Auswahl für Ärger – ein enttäuschend intransparentes Vorgehen sei das, entscheidende Bewerber würden übergangen.

Büttner zieht zurück

Der Vorsitzende des Landesrundfunkrats Baden-Württemberg, Volker Stich, sah in der Intransparenz womöglich „politische Einflussnahme“ und forderte ein alternatives Verfahren. Ob das kommt und wie das aussehen kann, darüber werden Rundfunk- und Verwaltungsrat am Freitag debattieren.

Öffnen sie das Verfahren, dürften zwei weitere Kandidaten ins Rennen gehen: Andreas Cichowicz, früher mal Redakteur beim SWR-Vorgänger Süddeutscher Rundfunk, dann Korrespondent, „Weltspiegel“-Moderator, mittlerweile NDR-Chefredakteur in Hamburg. Der Zweite ist Clemens Bratzler, mit 46 Jahren der jüngste Bewerber, das Gesicht der SWR-Politsendungen und Hauptabteilungsleiter „Multimediale Aktualität“. Das, sagen einige im Sender, könnte und sollte sein Vorteil sein, schließlich werde sich die Zukunft daran entscheiden, wie gut sich der SWR im Digitalen behaupten kann. Kaum ein anderes drittes Programm in Deutschland hat so niedrige Einschaltquoten wie der SWR. Die Jugend erreicht der Sender kaum, obwohl oder vielleicht gerade, weil der Intendant Peter Boudgoust die treibende Kraft hinter Funk, dem gemeinsamen Jugendangebot von ARD und ZDF war.

Einer, auf den man senderintern große Hoffnungen gesetzt hatte, Verwaltungsdirektor Jan Büttner, der viele Jahre eng mit Boudgoust gearbeitet hatte, zog seine Bewerbungen Anfang der Woche genervt zurück. Nicht etwa, weil er an seiner Eignung zweifelte, sondern um Schaden vom Sender abzuwenden.

Es ist nun also ziemlich viel offen, wenn die Aufsichtsgremien heute zusammentreten. Einigermaßen sicher dürfte nur der Termin sein, an dem die Intendantenwahl beginnt: Ende Mai.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.