Insolvenz von Air Berlin: Der große Coup der Lufthansa

Mit der Übernahme eines Großteils von Air Berlin sichert der deutsche Marktführer seine Position ab. Die Preise für Inlandsflüge dürften steigen.

Air Berlin Flugzeug rollt auf Landebahn, Schwarzer Rand um das Flugzeug herum

Air Berlin im Fokus: Eine Maschine rollt zu einem Gate Foto: dpa

BERLIN taz | Donnerstagmittag, Berlin-Pankow, Einflugschneise des Stadtflughafens Tegel: Im Minutentakt donnern im Landeanflug Flugzeuge über das dicht bewohnte Gebiet, und etwa jede zweite Maschine ist eine von Air Berlin oder der Lufthansa. Dies dürfte bald Geschichte sein: Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin, deren Marke und Design vom Himmel verschwinden wird. Damit steht auch fest: Zumindest auf innerdeutschen Strecken wird es künftig weniger Wettbewerb geben, und damit dürften die Preise steigen.

Konkret will die Lufthansa rund 80 der zuletzt gut 130 Flugzeuge der Ai-Berlin-Flotte übernehmen. Damit soll die Billigtochter Eurowings ausgebaut werden, um diese für den europäischen Wettbewerb mit der irischen Fluggesellschaft Ryanair und der britischen Firma Easyjet zu stärken. Auf dem deutschen Markt aber dürfte es künftig weniger Wettbewerb geben. Zwar soll Eurowings der Hauptmarke Lufthansa Konkurrenz machen, aber dass dies wirklich der Fall sein wird, glauben die wenigsten.

Zumindest glauben es nicht die Börsianer: Kurz nach Bekanntwerden der Übernahmepläne stieg gestern der Kurs der Lufthansa-Aktie sprunghaft an – auf den höchsten Kurs seit fast 17 Jahren. Das Kursplus von 3 Prozent erklären die Börsenanalysten der britischen HSBC-Bank so: „Der Air-Berlin-Deal macht die Lufthansa in ihrem Heimatmarkt stärker, was in den kommenden ­Jahren zu steigenden Erträgen führen sollte.“

Ein Beispiel: Von Berlin nach Stuttgart fliegt Air Berlin derzeit standardmäßig für 45 Euro, bei der Lufthansa-Tochter Eurowings sind die meisten Flüge auf dieser Strecke erst ab 90 Euro im Angebot.

Der Luftfahrtunternehmer Niki Lauda, unterlegener Konkurrent bei der Air-Berlin-Übernahme, sieht bereits ein Monopol. „Es ist mittlerweile so, dass in Düsseldorf 90 Prozent aller Slots jetzt in Lufthansa-Hand sind“, sagte Lauda am Donnerstag im Deutschlandfunk. Dort könne kein Konkurrent mehr hineinfliegen, nur noch die Lufthansa mit ihrer Eurowings-Gruppe. „Das heißt: Monopol entsteht, Tickets werden teurer.“ Das könne man jeden Tag in den Reisebüros sehen und überall, wo gebucht werden könne.

Preise für Inlandsflüge steigen

Auch Felix Methmann, Reise-Experte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, hat bereits kurz nach der Insolvenzankündigung von Air Berlin beobachten können, dass die Preise für Inlandsflüge gestiegen sind. „Es hat ja niemand mehr bei Air Berlin gebucht, auch wenn es theoretisch noch möglich gewesen wäre“, sagte Methmann der taz. Besonders Geschäftsreisende hätten das bemerkt. Es sei ja auch plausibel, dass für Strecken, die nur noch von einer Fluggesellschaft bedient würden, mehr Geld verlangt werde.

In der Vergangenheit habe die Lufthansa aufgrund des harten Wettbewerbs selbst Flüge zu Dumpingpreisen anbieten müssen, so Methmann weiter. In Zukunft könne sie sich wieder entspannen. „Für die Verbraucher ist es dagegen problematisch, wenn die Lufthansa einen so großen Teil von Air Berlin bekommt“, sagt Meth­mann. „Aber ich habe großes Vertrauen in das Bundeskartellamt, dass es dem noch einen Riegel vorschiebt.“

Die Lufthansa zahlt für die Übernahme großer Teile der insolventen Air Berlin voraussichtlich etwa 210 Millionen Euro. Das teilte Air Berlin am Donnerstag mit. Der Preis könne aber noch angepasst werden, wenn der Kaufvertrag vollzogen wird. Mit dem Bieter Easyjet werde weiter verhandelt.

Verbraucherschützer Methmann

„Für Verbraucher ist es problematisch, wenn die Lufthansa einen so großen Teil von Air Berlin bekommt.“

Mit dem Lufthansa-Geschäft sollte Air Berlin in der Lage sein, den Bundeskredit von 150 Millionen Euro zurückzuzahlen, der die Fluggesellschaft seit dem Insolvenzantrag vor zwei Monaten am Leben hält. Damit wollte die Bundesregierung verhindern, dass Zehntausende Passagiere in Urlaubsgebieten stranden und nicht wissen, wie sie nach der Pleite der Fluggesellschaft, bei der sie ihre Tickets gekauft hatten, wieder nach Hause kommen.

Welches Chaos in so einem Fall droht, ließ sich vor gut einer Woche beobachten. Die britische Firma Monarch Airlines hatte von einem Tag auf den anderen den Flugverkehr eingestellt. Mehr als 100.000 gestrandete Passagiere mussten mit Flugzeugen, die britische Behörden eiligst orderten, aus Urlaubsgebieten am Mittelmeer zurückgeholt werden. Und Hunderttausende Kunden und Kundinnen können demnächst nicht wie geplant fliegen, weil ihre Buchungen storniert wurden.

Den Bundeskredit kritisierte Unternehmer Lauda trotzdem scharf. „Die Verlängerung der Air Berlin war nur deswegen notwendig, damit die Lufthansa alle Slots der Air Berlin übernehmen kann.“ Die Lufthansa habe sich wie ein Filetstück all die Flugzeuge herausgeholt, die sie für ihre Tochter Eurowings braucht, damit die Slots – das sind die begehrten Start- und Landerechte – bestehen bleiben könnten. Denn: „Wenn jemand in Konkurs geht, sind alle Slots weg.“ Die seien dann wieder am Markt und dann könnten andere Anbieter auch mitfliegen. Dies habe die Lufthansa verhindern wollen.

Das Ende von Air Berlin, das in den 1990er Jahren als erstes deutsches Billigflugunternehmen groß wurde, bedeutet aber nicht das Ende der ökologisch fragwürdigen Billigfliegerei in Europa – auch wenn jetzt auf innerdeutschen Strecken Tickets teurer werden. Die Nachfrage nach günstigen Flügen ist nach wie vor ungebrochen, und innerhalb Europas gibt es auch genügend Wettbewerb unter den Anbietern. Im August erst war der Flugverkehr in Europa nach Angaben des Weltbranchenverbandes Iata erneut gewachsen, und zwar um 7 Prozent im Vergleich zum Juli. Die Auslastung stieg um einen Prozentpunkt auf 88 Prozent, dem höchsten Wert im Vergleich unter den Iata-Weltregionen. Der Himmel bleibt voll.

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