Initiator über „Lindenstraße“-Demo: „Wir sind verärgert und verzweifelt“

Jörg Flöttl ist Mitorganisator einer Demo gegen die Absetzung der „Lindenstraße“. Er rechnet am Samstag in Köln mit hunderten Teilnehmern.

Eine Familie in den Achtziger Jahren am Küchentisch. Es ist die Familie Beimer aus der Lindenstraße

Haben die ProtestlerInnen keinen Erfolg, läuft 2020 die letzte Folge der „Lindenstraße“ Foto: dpa

Herr Flöttl, kurz nachdem die ARD das Ende der „Lindenstraße“ ankündigte, gründeten Sie mit weiteren Fans der Vorabendserie die Initiative „Lindenstraße muss bleiben“. Für Samstag rufen Sie zur Demo in der Kölner Innenstadt auf. Wie laufen die Vorbereitungen?

Jörg Flöttl: Gut! Wir rechnen mit ungefähr 500 Besuchern, die aus ganz Deutschland, sogar der Schweiz und Österreich anreisen wollen. Es soll auch nicht bei dieser einen Demo bleiben. Wir planen im Februar eine weitere in München und nochmal eine in Köln.

Was bedeutet Ihnen die Lindenstraße, dass Sie bereit sind, für die Serie auf die Straße zu gehen?

Die Welt. Ich bin mit ihr groß geworden. Jeden Sonntagabend, vom kleinen Kind bis zur Oma, alle vorm Fernseher. Das hat zusammengeschweißt. Da steckt so viel Tradition, Heimatgefühl drin. Die „Lindenstraße“ ist einfach Teil meines Lebens.

ARD-Programmdirektor Volker Herres begründete das Ende der Serie damit, dass sie den gesellschaftlichen Wandel nicht mehr adäquat abbilde. Wie sehen Sie das?

Die „Lindenstraße“ hat von Anfang an moderne politische Themen aufgegriffen und den Finger in die Wunde gelegt, Missstände thematisiert und den Fokus auf Minderheiten gerückt. Zuletzt hatte ein Charakter sein Coming Out als transexuell, 1990 war in der „Lindenstraße“ der erste Fernseh-Kuss eines schwulen Paars zu sehen. Flüchtlinge sind auch ein großes Thema. Da bekommt man als Zuschauer die Gelegenheit, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Die „Lindenstraße“ hat einiges enttabuisiert und Geschichten von Menschen erzählt, mit denen viele Zuschauer, gerade auch die Älteren, in ihrem Alltag nicht in Berührung kommen. Sowas ist wichtig, besonders in Zeiten des Rechtsrucks.

Jörg Flöttl, 40, lebt in Nürnberg und ist studierter Diplompädagoge. Er arbeitet in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und ist spezialisiert auf die Arbeit mit minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen.

Ist es das, was Sie meinen, wenn Sie auf Ihrer Website schreiben, dass die „Lindenstraße“ eine zentrale Aufgabe in der bundesdeutschen Sozialisation übernimmt?

Damit meine ich, dass die „Lindenstraße“ der Gesellschaft die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln.

Woran liegt es denn Ihrer Meinung nach, dass die Serie eingestellt wird?

Die sinkende Quote wird da immer wieder angeführt, aber natürlich ist die niedriger geworden. Die ganze Fernsehlandschaft hat sich ja verändert. Viele schauen im Internet, die Konkurrenz ist größer geworden und es gibt so viele andere Medien, die man nutzen kann. Der ARD ist die Serie zu teuer geworden, an andere Stelle wird dann aber Geld rausgeblasen. In den letzten Jahren hat das Erste versäumt oder extra darauf verzichtet, die „Lindenstraße“ vernünftig zu bewerben. Ich kann mir vorstellen, dass die Absetzung politisch motiviert ist. Die „Lindenstraße“ ist durch ihre Kritik an der Gesellschaft für manche eine unbequeme Sendung. Das gefällt vielleicht nicht allen.

Die allerletze Folge der Serie soll erst 2020 laufen. Ist das nicht genug Zeit, auch persönlich mit der „Lindenstraße“ abzuschließen und sich einen Ersatz zu suchen?

Das ist schwierig, denn es gibt nichts Vergleichbares. Das ist ja eine Verbindung, die über Jahrzehnte entstanden ist. Und es geht vielen so. Wir sind eine riesige Fangemeinschaft und wollen das nicht hinnehmen. Und wenn die ARD bei ihrer Entscheidung bleibt, werden wir weiter kämpfen. Wir sind verzweifelt und verärgert und möchten das auch zum Ausdruck bringen.

Sind Sie auch sonst ein politischer Mensch, der oft auf Demos geht?

Ich bin politisch interessiert aber nicht so, dass ich auf die Straße gehe, gar irgendetwas organisiere. Aber die „Lindenstraße“ liegt mir so am Herzen, dass ich dafür sogar Urlaubstage opfere. Und in gewisser Weise ist es ja auch ein politischer Protest. Die „Lindenstraße“ hat zu vielen gesellschaftlichen Themen klar Stellung bezogen, besonders gegen Rechts. Dieses Format darf jetzt einfach nicht fehlen.

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