In der Pleiteliga: Meister ohne Schale

Die Fußballer von Holstein Kiel sind nach einem 2:1 gegen Havelse Meister in der Regionalliga Nord. Ob sie nun in die Dritte Liga aufsteigen, ist offen.

Hält nur einen Papiertiger in der Hand: Holstein-Trainer Thorsten Gutzeit. Bild: dpa

KIEL taz | Der Gegner fehlt noch. Hessen Kassel oder der SV Elversberg – einer von den beiden wird es mit den Kieler „Störchen“ zu tun bekommen in der Relegation, die über den Aufstieg in die Dritte Liga entscheidet.

Dem gesamten Team von Holstein Kiel und dem Großteil der 6.376 Zuschauer im Holsteinstadion war dieses Maß an Ungewissheit am Samstag aber einigermaßen gleichgültig. Wichtig war ihnen nur, dass sie einen Albtraum abgewendet hatten, dass das Heimspiel gegen den TSV Havelse mit 2:1 gewonnen und damit die Meisterschaft in der viertklassigen Regionalliga Nord gesichert worden war. Die Meisterschaft bedeutet aber nicht per se den Aufstieg. Sie führt lediglich zu zwei Relegationsspielen gegen den Meister der Regionalliga Südwest am 29. Mai und am 2. Juni.

Dieses erste Saisonziel, der Gewinn der Meisterschaft in der Nordstaffel, erschien über Wochen hinweg für die Kieler als ungefährdet. Bis zum vergangenen Freitag, dem Tag vor dem Heimspiel gegen Havelse. An dem Tag änderte der Insolvenzantrag des FC Oberneuland alles. Auf Geheiß des Norddeutschen Fußball-Verbandes (NFV) wurden alle Partien des FC Oberneuland aus der Spielwertung genommen. Kiel verlor dadurch sechs Punkte, Verfolger Havelse dagegen nur einen.

Plötzlich hatten die „Störche“ nicht mehr drei Punkte Vorsprung auf Havelse, sondern zwei Zähler Rückstand. Durch diese Posse war die Arbeit einer ganzen Saison bedroht. Für die Kieler stand fest: Sie durften nicht gegen Havelse verlieren, dann wäre als Tabellenzweiter die Relegation verpasst worden. Die „Störche“ bestanden den Belastungstest, Marcel Schied wurde mit zwei Toren zum Matchwinner.

In ihrer Freude über den Titelgewinn taten die Kieler aber auch ihre Entrüstung über den Verbandsentscheid kund. „Der Deutsche Fußball-Bund sollte sich über die Regionalliga Gedanken machen. Bei den ersten drei Spielklassen ist das System Weltklasse, danach ist es nur noch Kreisklasse. Dieses Szenario, wie wir es jetzt gerade erlebt haben, ist einfach untragbar“, monierte Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke.

Holstein Kiel hatte sich, als sich der Beschluss des NFV bereits angedeutet hatte, um rechtlichen Beistand bemüht. Christoph Schickardt vertritt die Interessen des Klubs gegenüber dem Verband. Deutliche Worte zur NFV-Entscheidung fand Holstein-Innenverteidiger Manuel Hartmann. „Da ist man die ganze Zeit Erster, und dann bekommt man die Füße weggehauen. Das war unter aller Sau. Es braucht sich bei unserem letzten Saisonspiel gegen den SC Victoria Hamburg kein Offizieller sehen zu lassen“, sagte Hartmann.

Die Regionalliga gilt seit langem als problematische Spielklasse. Sie findet im Schatten des Profifußballs statt. Fernsehübertragungen – und damit Gelder von TV-Sendern – gibt es kaum. Und so übernehmen sich immer wieder Klubs. Im Norden sind es bereits zwei Vereine in dieser Saison. Schon vor Monaten hatte der VfB Lübeck Insolvenz angemeldet. Nun steht auch Oberneuland wegen seiner Zahlungsunfähigkeit als Absteiger vorzeitig fest. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch der dritte Absteiger aus wirtschaftlichen und nicht aus sportlichen Gründen gefunden wird.

Das ganze System Regionalliga funktioniert schlichtweg nicht. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte die vierte Spielklasse auf fünf Regionalligen auf. Das Fatale daran ist, dass der Meister einer Staffel nicht direkt aufsteigt, sondern noch eine Relegation zu bestreiten hat. Insgesamt steigen drei Teams auf. Eine Zuschneidung auf vier Regionalligen mit vier Meistern, die direkt aufsteigen, und und vier Absteigern aus der Dritten Liga wäre sinnvoller.

„Wer Meister ist, der will auch etwas in der Hand halten – eine Meisterschale und den Aufstieg. Wir haben bislang nur einen Papiertiger in der Hand. Das kann einfach nicht sein“, sagte Holstein-Trainer Thorsten Gutzeit. Er hat nur einen Wunsch: Raus aus dieser Pleiteliga mit einem Sieg in der Relegation – ganz gleich, ob Kassel oder Elversberg der Gegner ist.

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