Im Südsudan droht Bürgerkrieg: Einfach alle rausschmeißen

Präsident Salva Kiir entlässt überraschend seinen Vize Riek Machar und alle Generäle. Der jüngste Staat der Welt könnte nun auseinanderbrechen.

Präsident Salva Kiir gehört zu den Dinka, deren Feindschaft mit den Nuer wieder eskalieren könnte. Bild: reuters

BERLIN taz | Im jüngsten unabhängigen Staat der Welt bahnt sich eine politische Zerreißprobe an. Südsudans Präsident Salva Kiir hat am späten Dienstag seine komplette Regierung, alle seine Generäle sowie den Generalsekretär der Regierungspartei entlassen.

Gründe wurden in den am Mittwoch veröffentlichten Entlassungsschreiben nicht genannt. Beobachter sehen darin die Zuspitzung eines Machtkampfs zwischen den beiden mächtigsten Figuren Südsudans: Präsident Salva Kiir von der größten Volksgruppe der Dinka und sein bisheriger Vize Riek Machar von der zweitgrößten Volksgruppe der Nuer. Sollte sich dieser Machtkampf von der Politik in die Gesellschaft verlagern, droht in Südsudan Bürgerkrieg.

Südsudan wurde am 9. Juli 2011 vom Sudan unabhängig, nach einem mehrjährigen Friedensprozess. Es regiert die aus der ehemaligen Guerillabewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) hervorgegangene SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) unter Präsident Salva Kiir. Sie hat nach allgemeiner Einschätzung weniger Fortschritte gebracht als vor zwei Jahren erhofft. Als Hauptgrund dafür gilt der immer wieder aufflackernde Grenzkrieg mit dem nördlichen Nachbarn Sudan sowie die ständigen Sperrungen südsudanesischer Ölexporte durch sudanesisches Gebiet.

Intern wächst aber auch die Kritik daran, wie Südsudans Regierung diese Probleme angeht. Die Feiern zum 2. Unabhängigkeitstag vor zwei Wochen waren bereits von Putschgerüchten überschattet. In Teilen Südsudans tobt seit der Unabhängigkeit ununterbrochen Bürgerkrieg zwischen lokalen Milizen.

90 Prozent Steuerveruntreuung

Wichtigster Garant der Stabilität der SPLM-Regierung war bisher die Kooperation von Salva Kiir und Riek Machar, historische Rivalen in der südsudanesischen Politik während des Befreiungskriegs, als wichtige Nuer-Militärführer Sudans Regierung gegen die Dinka in der SPLA unterstützten. Ihre Zusammenarbeit im unabhängigen Südsudan neutralisierte bislang diese alte Feindschaft. Der Bruch zwischen ihnen dürfte sie neu aufleben lassen.

Hinter der ethnischen Rivalität verbergen sich tiefere Differenzen. Viele Beobachter quer durch alle politischen und ethnischen Lager im Südsudan finden es problematisch, wie einige wenige altgediente Dinka-Kriegsführer die Politik Südsudans beherrschen und den Staat mit den Methoden einer bewaffneten Gruppe führen. Riek Machar gehörte zuletzt zu den Wortführern dieser Kritik und war deswegen im April teilentmachtet worden.

90 Prozent der Steuer- und Zolleinnahmen Südsudans würden veruntreut, sagte Machar erst letzte Woche; Korruption und Unsicherheit lähmten die Entwicklung. Schon vor zwei Wochen kritisierte er die von Präsident Kiir verfügte Entlassung des gewählten Gouverneurs des Bundesstaats Unity an der Grenze zum Sudan – sein eigener Heimatstaat – und forderte konkrete Schritte zur Dezentralisierung.

Die Entmachtung kommt überraschend

In Medienberichten war damals spekuliert worden, Gouverneur Taban Deng habe dafür büßen müssen, dass er eine Kandidatur Riek Machars bei Südsudans nächsten Präsidentschaftswahlen 2015 unterstützt – innerhalb der SPLM, gegen Amtsinhaber Salva Kiir.

Während Machars Absetzung weithin erwartet wurde, kommt die Entmachtung des SPLM-Generalsekretärs Pagan Amun überraschender. Er war bislang Chefunterhändler bei Südsudans Verhandlungen mit Sudan über die ungelösten Grenz- und Ölstreitigkeiten.

Jetzt wird er nicht nur entlassen, sondern es wird eine Untersuchungskommission gegen ihn eingesetzt: die Vorwürfe reichen von „Insubordination“ bis zu „tribalistischen Äußerungen“ und „öffentliches Untergraben der Parteistrukturen“. Er ist der höchstrangige Vertreter der drittgrößten südsudanesischen Volksgruppe der Shilluk in Südsudans Politik.

Da alle drei Kontrahenten kriegserfahren sind und bewaffnete Anhänger hinter sich wissen, könnte Südsudan nun auseinanderbrechen. Am Mittwoch rückte Militär in Juba aus und riegelte Regierungsgebäude ab. Präsident Kiir gab bekannt, zukünftig werde es nur noch 18 Ministerien geben statt wie bisher 29. Innen- und Tierschutzministerium werden zusammengelegt, ein Gesundheitsministerium fehlt.

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