IWF-Kredit für Argentinien: Nehmt Milliarden, aber seid sparsam

Der Internationale Währungsfonds gibt dem wirtschaftlich angeschlagenen Argentinien 50 Milliarden Dollar. Nun soll es drastisch sparen.

Riesige Schnellstraße in Buenos Aires bei Nacht

Nacht in Buenos Aires Foto: Juan Cruz Mountford / Unsplash

BUENOS AIRES taz | 50 Milliarden Dollar – auf diese Kreditsumme kann Argentinien in den kommenden drei Jahren beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgreifen. „Mit der Vereinbarung haben wir eine Krise vermieden,“ sagte der sichtlich zufriedene Finanzminister Nicolás Dujovne Donnerstagabend in Buenos Aires. Zugesagt seien zudem weitere Milliardenkredite von der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IADB) und der Andinen Entwicklungsbank (CAF) in eine Gesamthöhe von 5,62 Milliarden Dollar.

Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung in dem Stand-By-Abkommen zu einer drastischen Sparpolitik. So soll bis 2020 das Haushaltsdefizit von zuletzt negativen 8 Prozent an der Wirtschaftsleistung in ein Plus in der Haushaltskasse umgewandelt werden und die jährliche Inflationsrate von gegenwärtig über 25 Prozent auf unter zehn Prozent gesenkt werden. Mit welchen konkreten Einsparungen dies erreicht werden soll, sagte Dujovne nicht.

„Argentiniens Regierungen haben sich in der Vergangenheit immer an den Reserven der Zentralbank bedient,“ sagte Dujovne. Damit sei jetzt Schluss. Die Regierung werde die Zentralbank, nach dem Vorbild der entwickelten Länder organisieren, sie werde ihre Schulden bei der Zentralbank zurückzahlen und so deren Devisenreserven stärken. Sollte das IWF-Direktorium am 20. Juni dem ganzen Programm zustimmen, würden sofort 15 Milliarden Dollar nach Argentinien fließen, auf die Restsumme könne dann je nach Bedarf zugegriffen werden. Der Zinssatz liege bei etwas unter vier Prozent, so Dujovne.

Sonderregelung für Sozialprogramme

Als absolute Neuheit verkündete der Minister die Aufnahme einer Sozialklausel in dem Abkommen. So könne die Regierung im Härtefall die Ausgaben für gezielte Sozialprogramme um einen vereinbarten Prozentsatz erhöhen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte habe der IWF sich auf eine solche Klausel eingelassen, so Dujovne. Dass sich die Sozialklausel auf gesetzlich verankerte Sozialleistungen bezieht, wie beispielsweise die Unterstützung für Kinder aus armen Familien, die nur durch den Kongress zurückgenommen werden können, in dem die Regierung jedoch über keine eigenen Mehrheit verfügt, verschwieg er.

Die vereinbarte Kreditsumme von knapp 56 Milliarden kommt jedoch für alle überraschend – zuvor war im günstigsten Fall von 30 Milliarden die Rede – und wird Unternehmer und Bankiers beruhigen. Damit gewinnt der zuletzt in den Umfragen schwer abgesackte Präsident Mauricio Macri vor allem auch Zeit. Das auf drei Jahre angelegte IWF-Programm erstreckt sich auch auf die Amtszeit des ab 2019 regierenden Präsidenten. Macri könnte sich so mit Hilfe des IWF seine Wiederwahl gesichert haben.

Präsident Mauricio Macri könnte sich mit Hilfe des IWF seine Wiederwahl gesichert haben

Welchen innenpolitischen Preis die Regierung bezahlen muss, ist noch offen. Die zersplitterte politische Opposition hatte sich gerade mit dem IWF als gemeinsamen kleinsten Nenner gegen die Macri-Regierung zu formieren begonnen. Bei vielen weckt der IWF die schlimmsten Erinnerungen. Mit seinen Strukturanpassungsprogrammen bestimmte der Fonds in den 1980er- und 1990er-Jahren die Finanz- und Wirtschaftspolitik des hochverschuldeten Landes. Haushaltkürzungen, der Verkauf von Staatsbetrieben und die Privatisierung des Rentensystems machten zwar Mittel für den Schuldendienst frei, trieben das Land aber in eine soziale Schieflage. Und als der IWF 2001 die Auszahlung eines Milliarden-Dollar-Kredit verweigerte, brach die Krise los. Gut die Hälfte der Bevölkerung rutschte damals unter die Armutsgrenze.

Der Gang zum IWF Anfang Mai war eine Reaktion der Regierung auf den drastischen Wertverlust des Peso gegenüber dem Dollar. Mit dem damals angekündigten Schritt versuchte die Regierung den Run in die US-Währung zu stoppen. Argentiniens letztes Stand-By-Abkommen datiert auf das Jahr 2003 noch unter dem damaligen Präsidenten Néstor Kirchner. Kirchner hatte Ende 2005 die Rückzahlung der damaligen Verbindlichkeiten beim IWF in Höhe von 9,8 Milliarden US-Dollar angeordnet und sich geweigert Vorgaben für den Fonds zu akzeptieren. Seither hatte das Land keine IWF-Gelder mehr angenommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.