IS-Erfolge im Irak: Anklagen gegen Armeekommandeure

Parlamentarisches Nachspiel: Iraks Vizepräsident al-Maliki wird für die Niederlage gegen den IS in Mossul verantwortlich gemacht.

Ein Mann sitzt alleine zwischen einem guten Dutzend leerer Stühle

Premier al-Abadi allein zu Haus. Foto: dpa

ISTANBUL taz | In Siebenmeilenstiefeln eilt der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi derzeit voran, um das Land auf Reformkurs zu bringen. Er hat der Korruption, der Vetternwirtschaft, der Rechtlosigkeit und dem aufgeblähten Staatsapparat den Kampf angesagt. Aber Abadi will endlich auch Licht hinter das Versagen von hohen Regierungsvertretern sowie Armee- und Polizeikommandanten im Kampf gegen die Extremisten des Islamischen Staats (IS) bringen.

Dabei könnten sich Vizepräsident Nuri al-Maliki, etliche ehemalige Minister sowie Armee- und Militärkommandanten bald vor Gericht wiederfinden. Das irakische Parlament billigte am Montag den Bericht eines Untersuchungsausschusses, der Maliki maßgeblich für den Fall von Mossul und die Eroberung durch den Islamischen Staat (IS) verantwortlich macht. Das Parlament verwies den Bericht an die Justiz und machte damit den Weg für eine Klageerhebung frei.

Mit der Eroberung von Mossul läutete der IS am 10. Juni vorigen Jahres seinen Siegeszug in weiten Teilen des Nord- und Zentralirak ein. Die Großstadt im Nordirak befindet sich bis heute in der Gewalt des IS. Maliki hat für das Debakel der Sicherheitskräfte immer wieder eine Verschwörung von ausländischen Mächten, Kommandanten und politischen Rivalen verantwortlich gemacht.

Der Untersuchungsbericht erhebt dagegen schwere Vorwürfe gegen Maliki. Er legt dem Schiiten und damaligen Ministerpräsidenten die Aushöhlung und Politisierung der Armee durch den Aufbau einer parallelen Kommandostruktur zur Last sowie das Schüren des Unmuts der Sunniten in Mossul.

Nicht weniger verheerend fällt das Urteil der Kommission über den ehemaligen Verteidigungsminister Sadun Duleimi, einen Sunniten, und Generalstabschef Babakir Zebari, einen Kurden, aus. Zebari, den Abadi kürzlich entließ, habe die Truppen zur Flucht statt zum Kampf ermutigt. Insgesamt macht der Bericht rund 30 Behördenvertreter und Offiziere für das Versagen in Mossul verantwortlich.

Proteste gegen Korruption

Dass die Abgeordneten den Bericht durchwinkten, liegt auch an der derzeitigen Stimmung im Irak. Seit Wochen demonstrierten jeden Freitag Tausende gegen Korruption und Ämtermissbrauch. Abadi hat sich die Empörung zunutze gemacht und ein Reformpaket durchgeboxt. Am Sonntag setzte er die ersten Maßnahmen um und reduzierte die Zahl der Ministerien von 33 auf 22. Zugleich machte er den Weg frei für Militärprozesse gegen Kommandanten, die im Mai im Westirak versagten.

Vieles in dem 7-Punkte-Programm ist freilich vage oder verstößt gegen die Verfassung, etwa die Abschaffung der Posten der drei Vizepräsidenten. Dass sich Maliki und die mächtigen schiitischen Milizenchefs, die Abadi vor Kurzem noch aus dem Amt treiben wollten, hinter das Reformpaket gestellt haben, verdankt der Schiit Abadi vor allem Großajatollah Ali Sistani, dem höchsten schiitischen Geistlichen im Land.

Maliki, der zurzeit in Iran weilt, hat freilich durchblicken lassen, dass er das Feld nicht kampflos räumen will. Am Dienstag wies er den Untersuchungsbericht zu Mossul als wertlos zurück und sprach von einer türkischen Verschwörung. Statt Reformen steht dem Irak womöglich eine weitere Verschärfung der Krise ins Haus.

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