Hommage an die Emanzipation: Eine freie Radikale

Die Schriftstellerin Louise Aston war eine hochmoderne Feministin und Vorkämpferin von 1848. Sie wandte sich gegen Patriarchat, Ehe und Religion.

Sie trug Männerkleidung, rauchte Zigarren und glaubte nicht an Gott. Bild: edition ebersbach

Jenseits gebildeter Geschichtszirkel dürfte Louise Aston kaum noch bekannt sein. Zu Unrecht, wie Barbara Sichtermann in ihrer Hommage unter dem programmatischen Titel „Ich rauche Zigarren und glaube nicht an Gott“ deutlich macht.

Louise Aston, so vermittelt es Sichtermann souverän aufs Wesentliche konzentriert, war ein Riot Girl avant la lettre, eine 1848er-Rebellin, die ihr Verständnis von Selbstbestimmtheit, Emanzipation und Antiautorität so radikal lebte, dass auch die noch junge bürgerliche Frauenbewegung auf pikierte Distanz ging.

1814 geboren und aufgewachsen in einem bildungsbewussten Pastorenhaushalt in Gröningen bei Halberstadt, wird Louise Franziska Hoche, wie damals üblich, in eine Ehe mit dem englischen Dampfmaschinenfabrikanten Samuel Aston gezwungen. Die damit verbundene Unfreiheit erträgt sie nicht. Sie lässt sich scheiden und zieht 1845, im Schlepptau ihre vierjährige Tochter, nach Berlin, wo sie eine Karriere als Schriftstellerin verfolgt.

Im Vormärzklima der Revolte, geprägt durch Zensur und Polizeistaat genauso wie durch politische Debattierklubs und dichterische Boheme, kommt Aston ganz zu sich. Sie lebt einen Stil nach Vorbild George Sands, trägt Männerkleider und das Haar kurz, raucht Zigarren, zecht, zieht mit den Jungs um die Häuser und lebt die freie Liebe.

Barbara Sichtermann: „Ich rauche Zigarren und glaube nicht an Gott. Hommage an Louise Aston“. Edition Ebersbach, Berlin 2014, 144 Seiten, 16,80 Euro

Aus den Städten verwiesen

Astons radikales Wirken ist ganz dem Geist der 1848er-Revolution verbunden. Sie sagt den Autoritäten des Patriarchats den Kampf an, schreibt gegen den Unsinn der Ehe und organisierten Religion und propagiert eine Emanzipation, die nicht nur dem Wort, sondern auch der Tat verpflichtet ist. – Barrikadenkampferfahrung sammelt sie 1848 als Sanitäterin im norddeutsch-dänischen Kriegsgeschehen.

Ihr schmales Oeuvre – drei Romane, zwei Gedichtbände, eine kurzzeitige Zeitschriftenherausgeberschaft – entsteht in kurzer Aufeinanderfolge zwischen 1846–50. Unter schwierigsten Umständen – wird sie doch, bespitzelt, denunziert und immer wieder fadenscheinig begründet aus deutschen Städten gewiesen. Dagegen setzt sie sich öffentlich mit spitzer Feder zur Wehr. Sie beharrt auf ihrem Recht, so zu leben, wie sie es für richtig hält, und das können die Behörden und Reaktionäre ihrer Zeit nicht dulden.

An diesem Spießertum wird Aston scheitern, und schnell gerät ihr Name in Vergessenheit. Aber heute, so Barbara Sichtermanns optimistische Überzeugung, sind es ihr Geist, Individualismus und Emanzipationsbegriff, die an die Gegenwart anschlussfähig scheinen. Und eben nicht die Biedermänner und -frauen mit ihrer schwachsinnigen Wohlanständigkeit.

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