Hohe Haftstrafe für Militär: Umdeklarierte Leichen in Kolumbien

Er ließ Zivilisten ermorden und gab sie als Guerilleros aus. Dafür wurde in Kolumbien erstmals ein Offizier verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 2.000 Fällen.

Verurteilt: ein kolumbianischer Militär hat tote Zivilisten zu Guerilleros erklärt. Bild: imago/Martin Winter

PORTO ALEGRE taz | In Kolumbien ist erstmals ein hoher Offizier im Rahmen des Skandals um die sogenannten falsos positivos verurteilt worden. Der Oberst Luis Fernando Borja erhielt am Mittwoch eine Haftstrafe von 21 Jahren. Er war im November 2007 an der Ermordung zweier junger Männer beteiligt, die anschließend als getötete Guerilleros ausgegeben wurden.

Borja hatte weitere 57 Fälle offengelegt, bei denen über 100 Männer ermordet wurden. Unter Álvaro Uribe (2002-2010) gab es tausende ähnlicher Fälle, in denen die Militärs die Leichen in Uniformen steckten und sie als getötete Rebellen registrierten. Nach einer Direktive aus dem Verteidigungsministerium, das seine Erfolgsstatistiken aufbessern wollte, winkten Beförderungen oder Sonderurlaub für die Tötung von Guerilleros. Menschenrechtsgruppen haben über 3.000 Opfer namentlich aufgelistet, Staatsanwälte ermitteln derzeit in rund 2.000 Fällen.

Die humanitäre Katastrophe in Kolumbien, das sich in einem jahrzehntelangen Mehrfrontenkrieg ohne absehbares Ende befindet, hält an: Auch seit dem Amtsantritt von Präsident Juan Manuel Santos im vorigen August wurden dutzende Menschenrechtler und Gewerkschafter ermordet, ebenso mindestens 16 SprecherInnen von Kleinbauern, die sich für die Rückgabe ihres Landes starkmachen.

Auf Initiative des Präsidenten wurde vor Kurzem immerhin ein "Gesetz für Opfer und Landrückgabe" verabschiedet, das selbst Menschenrechtler prinzipiell begrüßen. Es sieht Entschädigungszahlungen für jene vor, die ab 1985 Opfer politischer Gewalt wurden. Verdrängte Kleinbauern sollen innerhalb von zehn Jahren insgesamt etwa 6,6 Millionen Hektar Land zurückerhalten. Die Chancen allerdings, dass dieses Projekt angesichts der Machtfülle regionaler Machtgruppen und "neuer" Paramilitärs tatsächlich umgesetzt wird, sind eher gering.

Westerwelle als Türöffner

Die Menschenrechtslage war auch Thema beim Besuch von Guido Westerwelle am Donnerstag. Sein Parteifreund Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, nahm an einem Seminar über Kindersoldaten teil. Westerwelle, der sich ausdrücklich als "Türöffner" für deutsche Firmen in den "neuen Kraftzentren der Welt" versteht, wurde derweil von Santos empfangen. Beide setzen auf die Intensivierung der Handelsbeziehungen.

Zusammen mit dem neoliberal regierten Chile und Mexiko, der folgenden Station von Westerwelles zweiter Lateinamerikareise, liegt das rohstoffreiche Kolumbien ganz auf der Wellenlänge der schwarz-gelben Bundesregierung. Schon jetzt gehört Deutschland zu den Hauptabnehmern von kolumbianischer Steinkohle und Agrosprit aus Palmöl aus Gebieten, die fest im Griff von Armee und Paramilitärs sind. Zudem will die EU ein Freihandelsabkommen mit Kolumbien ratifizieren - anders als die USA, wo die Repression gegen Gewerkschafter seit Jahren als wichtigster Hinderungsgrund gilt.

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