Hoeneß' geheimes Tagebuch 3+4: Keine Gewöhnung. An gar nichts

Auswärtsfahrt nach Jeriwan, WM von der Krankenstation und eine Postkarte aus dem Campo. Die taz hat Uli Hoeneß' geheimes Tagebuch entdeckt.

Neues Zuhause: JVA Landsberg Bild: dpa

Mein liebes Tagebuch

25. Mai 2014

Kurz mal beim Graeter durchgerufen, wie das so ist in Landsberg. Wird man da als verdienter Münchner Bürger geschnitten oder gerade nicht? Hat man da auch einen Promi-Malus wie bei der deutschen Justiz? Graeter hat aber gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Wird schon. Er kenne da ein paar einflussreiche Leute. Der Graeter hat sogar in der 104er, also in der Hitler-Zelle im Hospitaltrakt, gehaust, hat er zumindest behauptet, der windige Hund. Beim Graeter ist dann auch gleich wieder der Boulevardmann durchgekommen. Hat dann fast schon deklamiert am Telefon: „Trug Blaumann statt Ralph Lauren, trank Selters statt Schampus.“ Und so weiter. 42 Euro Taschengeld gibt's wohl, und noch einmal 16 Euro in Briefmarken. Monatlich.

28. Mai 2014

In unregelmäßigen Abständen erreicht die taz ein Kassiber aus der JVA Landsberg. Es handelt sich um geheime Tagebuchaufzeichnung von Uli Hoeneß, der dort wegen Steuerhinterziehung einsitzt. Der Bayern-Boss kommt erst Anfang 2016 frei – und will bis dahin weiterschreiben, heißt es aus gut informierten Knastkreisen.

Bisher sind erschienen:

Teil 1: Heimat im Darm schmecken

Teil 2: Gesprengte Ketten

Jetzt liegt die Ladung zum Haftantritt für Landsberg schon eine Zeit lang rum. Verdrängen kann ich die Sache nicht mehr. Ich muss mich der Sache stellen. Offensiv. Gnadenlos. Ohne Rücksicht auf eigene Befindlichkeiten. Landsberg. Landsberg. Landsberg. Knast. Knast. Knast. Ich gehe da hin. Ich stelle mich meiner Schuld, wie ich es immer getan habe. So ist ein Hoeneß nun mal. Susi heult die ganze Zeit. Ich schaff das ja nur bei Mitgliederversammlungen meiner Bayern. Musste es wirklich so weit kommen?

2. Juni 2014

Heute ist der Tag der Tage. Mein Sohn ist bei mir. Ich fahre ein. Die Wegelagerer haben schon wieder Witterung aufgenommen. Bild hab ich dann trotzdem schnell noch was durchgegeben für ihre Sonderseiten. Ganz große Aufmachung. Fast drei Seiten, hat mir der Brügelmann versprochen. Ich kann nur abwarten, was im Gefängnis auf mich zukommt. Mehr ist da nicht zu sagen. Abwarten. Einsitzen. Stille.

3. Juni 2014

Habe geschlafen wie ein Engel. Die Aufregungen der letzten Stunden, die geballten neuen Eindrücke haben mich schlichtweg umgehaun. Ein bisschen länger geruht hätt ich schon ganz gern. Aber kurz vor sechs ist die Nachtruhe vorbei. Jetzt tut mir die Hüfte weh, weil die Pritsche halt kein Boxspringbett ist. Das Ganze kommt mir wie eine Auswärtsfahrt ins Jerewan der 70er Jahre vor. Interessant, aber es muss nicht wirklich sein. Ja, hinter dem Gitter, da schmeckt auch der Honig bitter, hat der Franz mir mit auf den Weg gegeben, der alte Saubazi. Wenn er wüsste, wie recht er doch hat. In Sack und Asche gehe ich. Ich, Uli Hoeneß. Mein Gott!

25. Juni 2014

Die anderen nennen ihn Hinkebein. Ich finde das nicht so lustig wie die anderen, denn Hinkebein ist in meiner Zelle. Hat Schmuddel-Schnappschüsse in seiner Frauenarzt-Praxis gemacht. Wir reden da nicht drüber, obwohl er immer Andeutungen macht und sich wohl ganz gern was von der Seele reden möchte. Ich will das aber nicht hören. Ich will gar nichts hören von dem ganzen Müll. All die kaputten Sachen von kaputten Typen. Echt krank. Mein Gott, ich frage mich immer wieder, was ich hier verloren habe. Können die nicht so was wie einen Steuerknast aufmachen? Wäre eh nicht schlecht: Vollzugsanstalten, geordnet nach Delikten. Hätte dann auch nichts gegen eine Verlegung zu den Hochstaplern oder Fälschern. Wenigstens was in der Birne, diese Typen, denk ich mal. Dank nochmal an Doc MW, dass er das mit dem Attest gut hinbekommen hat. Der Krankentrakt, sagen die, die sich hier auskennen, ist am besten auszuhalten. Wenn nur Hinkebein nicht wäre. Nachts stöhnt der immer so komisch. Finde kaum in den Schlaf. Ach, Susi, wenn ich das gewusst hätte! Bulle und Bär wären mir dann so egal gewesen wie Willi Lemke und Christoph Daum.

26. Juni 2014

Ganz schöner Weltuntergang in Recife. Hat ja trotzdem zum Weiterkommen gereicht. Na ja, gegen den Klinsmann kann es ja auch nicht sooo schwer gewesen sein. Da sag ich mal lieber nichts dazu. Aber unter uns: Viel besser als dieser Blender ist der Jogi auch nicht. Titel kann der einfach nicht. Sollten die doch noch was reißen, dann nur wegen meiner Jungs: Schweini, Manu, Toni, Jérôme, Götzinho und Philipp. Der FC Bayern kann Titel, logisch. Er kann vielleicht sogar Titel trotz dem Jogi. Ist schon komisch: Sonst hassen sie alle den FC Bayern, aber wenn Bayern wie beim Länderfinanzausgleich was für ganz Deutschland tun darf, dann sind wir herzlich willkommen. Normal ist das nicht. Aber: Gern geschehen, Deutschland. Zum Finale, so dringt es aus der Gerüchteküche, wird sogar ein neuer Flatscreen-Fernseher in der Krankenstation aufgestellt. Na ja, wenigstens etwas.

1. Juli 2014

Kuno fehlt mir. Alles fehlt mir. Mein Leben ist ein Torso. Ein Rudiment. Ein großes Nichts. Das noch über Monate. Schwer. Sehr schwer. Meine Jungs haben mir eine Postkarte aus dem Campo geschrieben. Ist mir das Herz aufgegangen. „Das war's noch nicht“, schreiben sie. Diese verdammten Hunde. Ich bin bei euch. Es heißt ja immer, der Mensch gewöhnt sich an alles. Aber das ist ein Schmarrn. An nichts gewöhne ich mich hier. An gar nichts. Hinkebein sagt, er habe keinerlei Anpassungsprobleme. Der Depp.

5. Juli 2014

Gestern gab's Szegediner Gulasch. Ein echter Saufraß. Im Krankentrakt darf man sogar Nachschlag holen. Exknackis behaupten, hab ich in der tz gelesen, hier auf der Siechenstation würde man zunehmen. Von wegen. Ich bin in jeder Hinsicht auf Diät. Und der Scheiß-Dow steigt auch nicht auf 17.500. Na ja, erstmal Grüße ins Campo, Jungs, macht weiter so! Vielleicht schafft es der Jogi ja doch. Aber dann liegt's nur an der Bayern-Connection, ich kann das nicht oft genug sagen: an Adidas, Allianz und Hirmer. Ohne München hätte Jogi im Zelt campieren müssen da drüben. Es wird so kommen, dass der heilige André zum Schutzpatron des DFB erkoren wird. Alles nur eine Frage der Zeit. Und der Taktik.

6. Juli 2014

Hinkebein wird wahrscheinlich verlegt. Gott sei Dank! Perversling. Wenigstens eine ruhige Nacht.

13. Juli 2014

Wahnsinn!!! Leider auch wahnsinnig schlechtes Timing von mir. Und der Kroos haut auch ab. Das hätte ich weiß Gott zu verhindern gewusst. Ist ja fast schon Vaterlandsverrat von dem. So ein Ossi-Fischkopp hat eben nur lose Drähte zur bajuwarischen „Mia-san-mia“-Seele.

15. Juli 2014

Danke Schweini für die Grüße: „Ohne den wären wir alle gar nicht hier.“ Also ohne mich, Hoeneß. Da hat er recht. Wo wären sie denn ohne mich, frag ich mich grad. Ja, halt irgendwo in der Pampa oder der Bayernliga, oder was weiß ich. Hab meinen Anwalt gefragt, ob man diese positive Grundstimmung im Lande nicht dazu nutzen könnte, um beim Gauck wegen einer klitzekleinen Amnestie anzufragen. Der hat ja bejubelt, was ich im Grunde erschaffen hab'. Fragt's mal den Schweini. Mal sehen, was draus wird. Bin zuversichtlich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.