Hausbesetzungen in Berlin: Nach wenigen Stunden geräumt

Eine Einigung um das besetzte Haus in Neukölln schien schon zum Greifen nah. Dann verlor der Geschäftsführer der Wohnungsfirma die Nerven.

Das besetzte Haus in Berlin

Vielen Berlinern reicht es mit der Gentrifizierung Foto: dpa

BERLIN taz | Am Ende eines langen Besetzungstages in Berlin-Neukölln fehlten wohl nur wenige Minuten bis zu einem positiven Ausgang. Soeben hatten sich die BesetzerInnen, die sich seit Mittag in einem leer stehenden Wohnhaus in der Bornsdorfer Straße verbarrikadiert hatten, für Verhandlungen entschieden, als etwa 30 PolizistInnen in die Räume eindrangen. Mit lautem Gepolter, das auch noch auf der Straße deutlich zu hören war, öffneten sie die Türen; danach hörte man nur noch die aggressiven Rufe: „Alle auf den Boden!“

Dabei hatten zuvor die Zeichen auf Einigung gestanden. Ingo Malter, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“, und Baustaatssekretär Sebastian Scheel (Linke) hatten den AktivistInnen am späten Nachmittag Zugeständnisse gemacht. Umringt von Protestierenden und MedienvertreterInnen hatten sie direkt vor dem durch Polizisten abgeschirmten Eingang zugesagt, über ein selbstverwaltetes Haus zu verhandeln. Einzige Bedingung: Die BesetzerInnen müssten noch am selben Tag das Gebäude verlassen. Später hieß es, das Angebot umfasse Mieten von sechs Euro pro Quadratmeter. Alles sollte vertraglich fixiert werden.

Die BesetzerInnen, die draußen die Verhandlungen geführt hatten, schickten eine Delegation zu ihren MitstreiterInnen ins Haus. Doch nach einer halben Stunde, kurz vor neun Uhr, verlor Malter die Nerven und stellte einen Strafantrag bei der Polizei, die unmittelbar mit der Räumung begann. Übermittelt ist Malters Zitat „Ich lass mich nicht verarschen“. Während Polizisten an die Fenster traten und die Transparente, die an der Fassade befestigt waren, abrissen, schauten die Grüne-Abgeordneten Canan Bayram (Bundestag) und Katrin Schmidberger (Abgeordnetenhaus) fassungslos in die offenen Fenster. Beide hatten das Angebot zuvor mit eingefädelt. „Scheiße“, entfuhr es Schmidberger.

„Der Senat hat jetzt die Gelegenheit, die Frage zu beantworten, wem die Stadt gehört“, hatte Bayram zuvor gesagt. Doch im Senat fiel die Antwort anders aus, als von ihr erhofft. In einer internen Chatgruppe, so wird kolportiert, hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) früh für eine Räumung plädiert, Statdentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sich dem nicht entgegengestellt und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen sich geweigert, die Haftung zu übernehmen. „Stadt und Land“-Geschäftsführer Malter hatte beteuert, in einem Unglücksfall im Haus die rechtliche Verantwortung zu tragen. Weil sich alle wegduckten, bleib am Ende die Last auf ihm.

Fünf Jahre Leerstand

Während die Polizisten zur Räumung schritten, protestierten etwa 300 Menschen lautstark vor dem Haus. Vor zwei Eingängen setzten sie sich zu Boden, nur vereinzelt kam es zu Schubsereien mit den Beamten. Die BesetzerInnen, die Polizei sprach von 56 Personen, wurden einzeln aus dem Haus geführt und erkennungsdienstlich behandelt. Nach Angaben der BesetzerInnen gingen die Beamten dabei brutal vor. Eine Person musste mit einer Platzwunde in ein Krankenhaus eingeliefert werden, eine andere verlor ihr Bewusstsein. Erst nach Mitternacht waren die Maßnahmen beendet.

Angefangen hatte der Aktionstag der #besetzen-Kampagne kurz nach ein Uhr, als AktivistInnen das vorher geöffnete fünfstöckige Wohnhaus in Neukölln betraten. Mit Teppichen, Sofas und Lampen richteten sie Begegnungsräume in einer ehemaligen Kita ein. Die Räume, ebenso wie die darüber liegenden 40 Wohnungen stehen seit fünf Jahren leer. Mit der Besetzung sollte sich der Wohnraum ganz praktisch genommen werden. Darüber hinaus machte die Aktion die Probleme der immer teurer werdenden Stadt, in der immer weniger Menschen eine bezahlbare Wohnung finden können, sichtbar.

Die gut vorbereiteten AktivistInnen hatten parallel noch sieben weitere Häuser in der Stadt scheinbesetzt. Das Kollektiv des vor einem Jahr geräumten Neuköllner Kieztreffs Friedel 54, schlug für einige Stunden sein Exil in einem Ladenlokal in der Reichenberger Straße auf. Mit den dortigen Eigentümern, dem Wohnungsunternehmen Akelius, gab es allerdings noch weniger zu verhandeln als mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Am späten Abend demonstrierten etwa 300 Menschen auf einer Spontandemonstration von Kreuzberg nach Neukölln. Kurz nach elf Uhr wurde die Demo am Reuterplatz von der Polizei gestoppt und löste sich auf.

Die AktivistInnen zeigten sich vor allem vom Senat und der Linkspartei enttäuscht: „Die geringen Hoffnungen, die wir in den Senat hatten wurden enttäuscht“, so eine der BesetzerInnen zur taz. Zufrieden war man irgendwie dennoch. Besetzungen sind wieder ein Thema – und, so die Ankündigung: „Es wird weitergehen.“

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