Hassverbrechen gegen Schwule: Systematische Jagd

Im Bremer Bürgerpark attackiert eine Gruppe junger Männer Passanten und beleidigt sie mit homophoben Sprüchen. Nun ermittelt der Staatsschutz.

Zwei junge Männer küssen sich.

Ungestörtes Knutschen ist für Schwule nicht überall möglich Foto: dpa

BREMEN taz | Mehrere Besucher des Bremer Bürgerparks wurden am vergangenen Wochenende Opfer homophober Attacken. Nach Angaben der Polizei versteckte sich eine Gruppe von dreizehn Jugendlichen im Alter von 17 bis 20 Jahren in den Büschen im vorderen Bereich des Bürgerparks und sprang vorbeikommende männliche Besucher an, um sie aggressiv über ihre sexuelle Orientierung auszufragen. Angegriffene, die sich entfernen wollten, wurden mit homophoben Beleidigungen beschimpft.

Ein Betroffener alarmierte daraufhin die Polizei, die alle Täter noch am Tatort festnehmen konnte. Die Polizei stuft die Tat als Hassverbrechen ein und hat den Staatsschutz eingeschaltet.

Hassverbrechen zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch die Abneigung gegen eine bestimmte Personengruppe motiviert sind. Zu dieser Einschätzung gelangt die Polizei in diesem Fall auch aufgrund des Tatorts. Die Jugendlichen wählten den vorderen Bereich des Bürgerparks an der Hollerallee. Die Grünflächen dort gelten schon seit jeher als Ort, an dem sich Männer anonym mit anderen Männern zum Sex treffen können.

Wie viele Opfer insgesamt attackiert wurden, weiß die Polizei noch nicht. Ein Sprecher sagte auf Nachfrage der taz, der „Checkpoint“ sei von den Jugendlichen über einen längeren Zeitraum betrieben worden, somit könne es noch weit mehr Opfer geben, als bisher bekannt. Was die Täter angeht, handele es sich um junge Männer aus Deutschland, Serbien und Kolumbien.

Reiner Neumann, Vorstand des Bremer „Rat und Tat – Zentrums für queeres Leben e. V.“

„Ein Hassverbrechen zur Anzeige zu bringen, ist immens wichtig“

Die Polizei erteilte den festgenommenen Angreifern einen Platzverweis und führte eine Gefährderansprache durch. Eine Gefährderansprache ist eine Ansage, die signalisieren soll, dass die Beamten eine Person für gefährlich halten und im Auge haben. Bei Jugendlichen erhofft sich die Polizei davon einen Erziehungseffekt.

Für die queere Community in Bremen ist die Tat kein Einzelfall. „In den letzten drei bis vier Jahren hat es einen Rollback gegen uns gegeben“, sagt Reiner Neumann, Vorstand des Bremer „Rat und Tat – Zentrum für queeres Leben e. V.“. „Die Leute fühlen sich im Kontext des neuen Rechtspopulismus ermutigt, ihren Hass wieder offen zu zeigen und auszuleben“, sagt Neumann. Das „Rat und Tat-Zentrum“ ist die zentrale Anlaufstelle für Beratungen von LGBTIQ* Personen in Bremen.

Eine solche Tat, bei der sich eine große Gruppe junger Menschen abspricht, um homosexuelle Männer in der Öffentlichkeit zu belästigen, habe es allerdings seit Langem nicht mehr gegeben. Das dies jetzt wieder passiert sei, sei sehr bedenklich, sagt Neumann.

Löchrige Statistik

Die Kriminalstatistik des Landes Bremen ist diesbezüglich nicht sehr aussagekräftig. Hassverbrechen gegen Homosexuelle werden ohnehin erste seit 2014 als solche kategorisiert. Im Jahr 2014 wurde eines, 2015 wurden drei solcher Hassverbrechen verzeichnet. 2016 stieg die Zahl auf 23 homophobe Straftaten an, bedingt durch einen Stalker, dem mehr als zehn schwule Männer zum Opfer fielen. In den letzten zwei Jahren sind jeweils 15 homophobe Straftaten in die Kriminalstatistik aufgenommen worden.

Dass die Zahlen so niedrig sind, hängt laut Neumann in erster Linie mit der geringen Bereitschaft der Opfer zusammen, die Tat anzuzeigen. Hinzukomme, dass die Behörde nicht jedes Hassverbrechen als solches einstufe, sondern oft als gewöhnlichen Strafbestand behandele.

„Es ist gut, dass die Opfer im Bürgerpark den Mut fanden, sich direkt an die Polizei zu wenden und ihre Peiniger anzuzeigen“, findet Neumann. Das sei nicht selbstverständlich, weil Angehörige von Minderheiten meistens kein großes Vertrauen in die Behörden hätten. „Ein Hassverbrechen zur Anzeige zu bringen, ist immens wichtig“, sagt er.

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