Hassobjekt Rennrad: An der Liebe abgestrampelt

Arne Körner hat mit „The Bicycle“ seinen ersten Spielfilm über ein junges Paar, Paris und ein Fahrrad gedreht. Hamburg-Premiere ist am 1. Mai im Metropolis

Hauptdarsteller Akin Sipal auf einem Fahrrad, das er hasst. Foto: (Verleih)

BREMEN taz | Nein, ein R(o)admovie ist dies nicht und auf dem 4. Nürnberger Fahrrad-Film-Festival in einigen Tagen könnte es gut Buhrufe von Fahrrad-Film-Enthusiasten geben, wenn Arne Körner seinen Film „The Bicycle“ dort am 7. Mai zeigen wird. Dabei verspricht er eine lange cineastische Fahrradtour: Nach einer in Paris zerbrochenen Beziehung fährt der junge Hamburger Mark mit dem Fahrrad, das ihm seine Exfreundin Antonia geschenkt hat, noch einmal von der einen Metropole in die andere.

Ursprünglich sollte diese Reise auch den Mittelpunkt des Films bilden. Der Co-Autor und Hauptdarsteller Akin Sipal hatte tatsächlich von einer ehemaligen Freundin ein Rennrad geschenkt bekommen. Und da er das Radfahren hasst, war dieses für ihn ein Symbol dafür geworden, was in dieser Beziehung alles schieflief. Genau auf diesem Fahrrad fährt er nun auch durch den Film, der sich allerdings dann ganz anders entwickelte. Denn das langsame Scheitern der Beziehung, das nur als Hintergrundgeschichte geplant war, schob sich immer mehr in den Vordergrund des Films.

So gibt es nun zwar Filmsequenzen davon, wie Akin Sipal an einzelnen Stationen der Reise wie einem Acker in Norddeutschland, menschenleeren Grenzanlagen oder einer französischen Provinzstadt auf dem Fahrrad herumfährt. Aber er sieht nie so aus, als hätte er sich wirklich auf der langen Strecke abgestrampelt. Er radelt statt dessen ziellos herum, mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken, in dem nicht einmal Platz für eine anständige Regenkleidung sein dürfte.

Und man merkt ihm auch an, dass er nur mit Widerwillen in die Pedale tritt. Er hat nie einen Platten und erlebt auch sonst nichts auf seiner Reise. Diese ist eine reine Geste und Arne Körner war so klug, das zu erkennen und die Fahrradtour auf ein Minimum zu begrenzen. Immerhin gibt es ein Intermezzo, bei dem Sipal zu rhythmisch arrangierten Fahrradgeräuschen durchs Bild fährt, aber der größte Teil des Films besteht aus Aufnahmen von zwei jungen Menschen, die sich in Paris streiten.

Und auf dieser Ebene überzeugt „The Bicycle“ dann doch, denn Körner hat in einer sehr freien Form gearbeitet, die an die Filme der Nouvelle Vague erinnert. Und dies obwohl Körner selbst behauptet, nur einen Film von Eric Rohmer gesehen zu haben und eher durch die Filme von Roland Klick und seinem Professor an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste (HFBK) Wim Wenders inspiriert worden zu sein.

Die kanadische Schauspielerin Carly May Borgstrom und Akin Sipal, der selber als Regisseur und Autor arbeitet und zum ersten Mal als Darsteller vor einer Kamera stand, spielten ohne vorher festgelegte Dialoge und improvisierten ihre Szenen. Nun gibt es ja kaum ein schlimmeres Klischee als eine Liebesgeschichte in Paris, aber Körner unterläuft auch hier die Erwartungen, indem er auf jede romantische Verklärung verzichtet und konsequent nur den letzten Akt dieser Beziehung zeigt.

Bei Filmromanzen wird oft von der Chemie zwischen den beiden DarstellerInnen erzählt, durch die ihre Geschichte, egal wie unglaubwürdig oder vorhersehbar, dann doch rührt. Bei „The Bicycle“ wird man dagegen immer mehr in die Beziehung hineingezogen, gerade weil die beiden so offensichtlich nicht zueinander passen.

Körner hat nicht eine einzige herkömmliche Liebesszene mit ihnen gedreht, sie berühren einander kaum und wirken meist so, als seien sie genervt vom andern. Dieses langsame Absterben einer Liebe kennen wohl viele aus ihrer Jugend und Körner gelingt es, dieses Lebensgefühl mit einem norddeutsch-trockenen Witz zu vermitteln. Er und Sipal erzählen hier offensichtlich autobiografisch, doch Carly May Borgstrom spielt so lebendig und vielschichtig, dass ihre Figur nicht nur zur Projektionsfläche für die beiden jungen Männer gerät.

Körner hat 2013 ein halbes Jahr an einem Austauschprogramm in Paris teilgenommen und so kannte er die Stadt gut genug, um die bekannten Touristenblicke auf sie zu vermeiden. Er machte seine Aufnahmen ohne Drehgenehmigung, die er sich als unabhängiger Filmemacher nie hätte leisten können, und sein Film endet mit einer Fahrrad-Verbrennung, die in aller Öffentlichkeit am Ufer der Seine stattfindet.

Körner sagt dazu, dass diese Aufnahmen nach den Anschlägen in Paris sicher nicht mehr möglich wären und in diesem Sinne erinnert sein Film auch an die verlorene Freiheit und Großzügigkeit der Stadt. Außergewöhnlich ist auch, dass er auf Film dreht, denn dies ist heute schon fast ein Anachronismus. Tatsächlich ist die Kamera Teil der erzählten Geschichte, denn Mark ist ein Amateurfilmer, der seine alte Bolex mit nach Paris gebracht hat. Die beiden filmen sich damit gegenseitig und diese Aufnahmen sind in den Film integriert, wodurch er noch unmittelbarer und spielerischer wirkt.

Arne Körner hat bisher nur experimentelle Kurzfilme gedreht und „The Bicycle“ ist sein „erster Film mit Menschen“. Er hat ihn selbst finanziert und konnte sich dies leisten, weil er als Cutter gut beschäftigt ist. Im letzten Jahr hatte sein Film auf dem Filmfestival von Montreal Premiere. Dort gewann er den Preis für den besten Studentenfilm. Danach wurde er zu den Hofer Filmtagen eingeladen, aber nach diesem vielversprechenden Beginn riss die Vermarktungskette ab.

Verleiher zeigten Interesse, aber keiner schloss einen Vertrag und Körner schätzt, dass bisher nur „um die 400 Leute“ seinen Film, an dem er drei Jahre gearbeitet hat, gesehen haben.

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