Harter Vorwurf gegen Kita-Träger: Krank mit Befristung

Die landeseigenen Kindergärten NordOst sollen Arbeitsver­trä­ge von Er­zie­he­rIn­nen nicht entfristen, wenn die sich zu häufig krankmelden.

Kleine Rotznasen: Wer mit Kindern arbeitet, wird schnell mal krank. Foto: dpa

Das Schrei­ben, das Maren Kin­der­mann* ei­ni­ge Mo­na­te vor Ab­lauf ihres zwei­jäh­ri­gen Ar­beits­ver­trags be­kommt, ist ein­deu­tig: Kin­der­mann sei als Er­zie­he­rin fach­lich kom­pe­tent und per­sön­lich ein Ge­winn fürs Team, schreibt die Ki­ta-Lei­tung. Die Emp­feh­lung an den Trä­ger, die lan­des­ei­ge­nen Kin­der­gär­ten Nord­Ost, lau­tet, Kin­der­manns Ver­trag zu ent­fris­ten. Das Ge­gen­teil pas­siert: Die Er­zie­he­rin wird zum 1. Au­gust ge­kün­digt. Kin­der­mann frag­te beim Träger nach, was die Grün­de seien: „Da hieß es nur, die müs­sen wir Ihnen nicht nen­nen.“

Die Kita-El­tern indes glau­ben zu wis­sen, warum: Wer in den zwei Jah­ren Be­fris­tung mehr als 35 Krank­heits­ta­ge an­sam­melt – Kin­der­mann hatte nach ei­ge­ner Aus­sa­ge „schon ein paar mehr“ – werde mit Nichtent­fris­tung des Ar­beits­ver­trags be­straft, sagt Ana­tol Ste­fa­no­witsch, El­tern­ver­tre­ter in der Kita Schi­vel­bei­ner Stra­ße in Prenz­lau­er Berg.

Denn Kin­der­mann sei kein Einzelfall. ­El­tern­ver­tre­te­rIn­nen aus ver­schie­de­nen Kitas des Trä­gers, die sich in­zwi­schen auf einer Face­book­sei­te ver­netzt haben, wol­len noch von „min­des­tens“ fünf wei­te­ren Erzieherinnen bei Kin­der­gär­ten Nord­Ost wis­sen, die trotz Empfehlung der jeweiligen Kitaleitung nicht weiterbeschäftigt werden. Auch diese Erzieherinnen hätten alle mehr als 35 Krankheitstage in zwei Jahren angesammelt. Der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland fehlte 2015, also in nur einem Jahr, übrigens laut „Fehlzeitenreport“ der Allgemeinen Ortskrankenkassen 19 Tage.

Wer also gar nicht mal so häufig krank ist, wird bei den Kindergärten NordOst mit Nicht­ent­fris­tung ge­straft? Nein, heißt es sei­tens des Trä­gers, der mit 77 Kitas in Pan­kow, Lich­ten­berg und Mar­zahn-Hel­lers­dorf der größ­te unter den fünf Ki­ta-Ei­gen­be­trie­ben des Lan­des ist. „Wir wun­dern uns sehr, wie die El­tern auf diese Zahl von 35 Krank­heits­ta­gen kom­men“, sagt der kauf­män­ni­sche Ge­schäfts­lei­ter Ro­bert Eh­ren­pfordt.

Eine Frage des Gesamtbilds

Vater Stefanowitsch beruft sich indes auf Gespräche von Eltern mit der Kita-Leitung in der Weißenseer Streustraße: „Da ist uns das aus dem Umfeld der Leitung so kommuniziert worden.“ Kita-Leiterin Gerda Toft mag sich dazu inzwischen nicht mehr öffentlich äußern.

Von dem Träger heißt es indes, ent­schei­dend für die Über­nah­me der Er­zie­he­rIn­nen sei „in erster Linie“ die Be­ur­tei­lung der Ki­ta-Lei­tung. Al­ler­dings: Auch wenn Krank­heits­ta­ge „kein Aus­schluss­kri­te­ri­um“ für eine Wei­ter­be­schäf­ti­gung seien, „wer­den sie be­ach­tet“. Ver­bo­ten ist das nicht, sagt die Ge­werk­schaft Er­zie­hung und Wis­sen­schaft. „Auch Krank­heits­ta­ge darf man ins Ge­samt­bild mit­ein­be­zie­hen. Aber zu­ge­ge­ben wird das na­tür­lich kaum“, sagt Udo Mer­tens, bei der GEW Berlin zu­stän­dig für An­ge­stell­ten­recht.

Wohl des­halb bestreitet Pan­kows Ju­gend­stadt­rä­tin Chris­ti­ne Keil (Linke) genau das auch: Der Trä­ger habe gar kei­nen Zu­griff auf die Kran­ken­da­ten der Mit­ar­bei­te­rIn­nen, „die geben die Ki­ta-Lei­tun­gen in eine Soft­ware ein, und ab dann sind die dort an­ony­mi­siert.“ Eh­ren­pfordt hin­ge­gen sagt, die Daten seien aus dem Sys­tem er­sicht­lich.

Nun soll ein Ge­spräch zwi­schen dem Trä­ger, den El­tern und der Bil­dungs­ver­wal­tung die An­schul­di­gun­gen klä­ren. Un­ab­hän­gig von des­sen Aus­gang sieht El­tern­ver­tre­ter Ste­fa­no­witsch aber noch ein grund­sätz­li­ches Pro­blem: „Das Ber­li­ner Bil­dungs­pro­gramm, an das sich ja alle Kitas hal­ten sol­len, will größt­mög­li­che Kon­ti­nui­tät für die Kin­der bei den Be­zugs­per­so­nen – die sehe ich hier ohne Not infrage ge­stellt.“

Zumal viele Kitas kla­gen, of­fe­ne Stel­len nur schwer mit aus­ge­bil­de­ten Er­zie­he­rIn­nen be­set­zen zu kön­nen. Damit will man bei den Kin­der­gär­ten Nord­Ost al­ler­dings kein Pro­blem haben: „Wir sind ein at­trak­ti­ver Ar­beit­ge­ber“, sagt Eh­ren­pfordt.

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