Handelsstreit zwischen USA und EU: Erste Risse hinter der EU-Kulisse

Am 1. Mai läuft die Schonfrist für Europa ab: Dann wollen die USA sagen, ob sie Strafzölle auf europäische Güter verhängen oder nicht.

Zwei Hände strecken sich zum Handschlag zueinander aus

Immerhin gaben sich Merkel und Trump diesmal die Hand Foto: reuters

BRÜSSEL taz | Angela Merkel klang resigniert. „Die Entscheidungen liegen beim Präsidenten“, sagte die Kanzlerin nach ihrem Blitzbesuch bei Donald Trump in Washington. Im Streit um US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU sei alles gesagt, so Merkel. Was so viel meint wie: Jetzt hängt es von den USA ab, ob es zur Eskalation kommt.

Wenn Trump es sich nicht doch noch anders überlegt, werden die USA ab dem 1. Mai milliardenschwere Importzölle auf EU-Produkte erheben. Dann droht das, was Merkel am meisten fürchtet: eine neue Welle des Protektionismus und – wenn Brüssel zurückschlägt – ein Handelskrieg. Für die deutsche Wirtschaft wäre es eine Katastrophe.

Denn die USA sind heute ihr wichtigster Handelspartner. Mit einem Gesamtumsatz (Exporte und Importe) von mehr als 173,2 Milliarden Euro verwiesen die Amerikaner 2015 das bis dahin führende Frankreich auf den zweiten Platz. Das macht Deutschland von Exporten nach Nordamerika abhängig – und es schwächt die deutsche Verhandlungsposition.

„Angela Merkel wird zum schwächsten Glied in Europa“: So analysiert die Washington Post die neue Lage. Während Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron versuche, die EU mit Reformen nach vorne zu bringen, sei Merkel in der Defensive. Trump könnte versuchen, Deutsche und Franzosen gegeneinander auszuspielen.

Die Eskalation verhindern

Erste Risse zeichnen sich schon ab. So meldete die Welt am Sonntag, dass sich Berlin hinter den Kulissen für ein Zollabkommen mit den USA einsetze. Das Blatt beschreibt den Vorschlag als „TTIP light“, also als abgespeckte Variante des gescheiterten Freihandelsabkommens. Für die USA wäre das vorteilhaft, weil so auch die (bisher noch höheren) EU-Einfuhrzölle aus US-Autos sinken würden.

Frankreich sträubt sich jedoch gegen eine Neuauflage von TTIP. Auch die EU-Kommission kann sich mit dieser Idee bisher nicht anfreunden. Handelskommissarin Cecilia Malmström hat eine harte Linie ausgegeben: Unter Druck werde es keine Verhandlungen mit den USA geben, sagte die Schwedin.

Die Kanzlerin würde nur zu gern weiter verhandeln

Erst müsse Trump die 28 EU-Staaten dauerhaft von Zöllen ausnehmen, dann könne man über alles reden. Für den Fall, dass die US-Zölle doch noch kommen, droht Malmström mit massiver Vergeltung. Geplant ist eine dreifache Reaktion: eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO, Schutzmaßnahmen für die europäische Wirtschaft und Strafzölle auf US-Produkte.

Für die EU-Zölle wurde bereits vor Wochen eine Liste mit amerikanischen Gütern erstellt. Sie reicht von Waren aus Eisen und Stahl bis hin zu Produkten des täglichen Lebens wie Orangensaft, Levi’s-Jeans, Bourbon-Whiskey und Harley-Davidson-Motorrädern. Gesamtwert: 2,8 Milliarden Euro. Allerdings ist unklar, ob die EU diese Vergeltungsmaßnahmen sofort umsetzen würde oder ob Brüssel weiter auf Verhandlungen setzt. Ein Datum hat Malmström nicht genannt – und Merkel dürfte alles tun, um eine Eskalation zu verhindern.

TTIP wiederbeleben

Für die weitere Entwicklung sind drei Szenarien denkbar:

Erstens: Die US-Zölle kommen, und die EU schlägt zurück. Dies wäre – aus deutscher Sicht – das Worst-Case-Szenario. Trump hat angekündigt, dass er mit weiteren US-Zöllen nachlegen würde, etwa auf deutsche Luxuskarossen von Mercedes und BMW. Dies würde den bisher auf Stahl und Aluminium begrenzten Streit ausweiten, Deutschland wäre in seiner Schlüsselbranche getroffen, viele Arbeitsplätze wären in Gefahr.

Das zweite Szenario: Die US-Zölle kommen, die EU kneift. Um einen Handelskrieg zu vermeiden, könnten die Europäer ihre Gegenmaßnahmen auf die lange Bank schieben. Denkbar wäre, zunächst Beschwerde bei der WTO einzureichen und Verhandlungen abzuwarten. Möglich ist aber auch, dass die EU gar nichts unternimmt. Denn die Exporte bei Stahl und Aluminium belaufen sich „nur“ auf gut 6 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sind weniger als 2 Prozent der gesamten EU-Ausfuhren in die USA (375 Milliarden Euro im vergangenen Jahr).

Die dritte denkbare Möglichkeit: US-Zölle kommen (noch) nicht, die Verhandlungen ­gehen erst einmal weiter. Dies dürfte Merkels Wunsch­szenario sein. So könnte sie ihr Lieblingsprojekt TTIP wiederbeleben – wenn auch nur in der „Light“-Variante, als reines Zollabkommen. Frankreich ist allerdings da­gegen, auch das EU-Parlament warnt. „Man kann das TTIP-Abkommen nicht einfach wieder aus dem Eisfach holen“, sagt etwa der grüne Europapolitiker Reinhard Bütikofer. Gerade in Deutschland hatte es massive Proteste gegen TTIP gegeben.

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