Hamburger Schulen werden voller: Kein Platz mehr auf dem Schulhof

Hamburgs neuer Schulentwicklungsplan sieht 30 Prozent mehr Schulplätze und viele Parallelklassen für die Grundschulen vor.

Grundschulkinder mit Schulranzen.

Da kommen sie: Die Grundschüler*innen Foto: dpa

HAMBURG taz | Am besten kurz und schmerzlos, so scheint sich Schulsenator Ties Rabe (SPD), die Diskussion um Hamburgs neuen Schulentwicklungsplan (Sepl) zu wünschen. Nur bis zum 18. Juni haben die Schulkonferenzen Zeit, zu dem von Rabe vorgelegten Entwurf Stellung zu nehmen. Die Verabschiedung ist dann für kurz vor den Herbstferien geplant.

An und für sich ist die Sache erfreulich: Hamburgs Bevölkerung bekommt mehr Kinder. Bis 2030 werden rund 240.000 Schüler erwartet, so viele wie zuletzt nach den Babyboomer-Jahren Anfang der 1970er-Jahre. Statt rund 17.000 verzeichnet das Statistikamt seit 2016 über 20.000 Geburten im Jahr. Gegenüber heute werden bis 2030 deshalb 25 Prozent mehr Schüler erwartet. Am dringendsten bräuchte man Grundschulplätze, sagte der Senator. „Die Kinder, um die es hier geht, sind schon geboren.“

Rein rechnerisch müsste Hamburg gut 80 Schulen ganz neu bauen, je zur Hälfte Grundschulen und weiterführende Schulen. Doch weil Grund und Boden knapp und wertvoll sind, werden nur 39 Schulen ganz neu gebaut, also nur die Hälfe so gedeckt. Die übrigen Plätze sollen an bestehenden Schulen entstehen. Die Währung, um die es bei der Schulplanung geht, heißt „Züge“ und meint die Zahl der Pa­rallel-Klassen. Die Grundschulen sollen bis 2023 von derzeit 661 Zügen auf 876 erweitert werden. Das sind nicht 25 sondern eher 30 Prozent mehr, weil es noch eine Reserve geben soll.

Ganz konkret heißt das, dass etliche Schulen – wie die Max-Brauer-Schule in Altona – auf ihr bestehendes Gelände Zubauten für neue Klassen bekommen. Die Experten seiner Behörde hätten im Vorweg „jede Schule unter die Lupe genommen“, sagte Rabe, um zu schauen, wo ein Ausbau möglich ist. Etwa jede dritte der rund 200 Grundschulen hat künftig mehr als vier parallele Klassen, knapp 40 Schulen sollen fünf Züge haben, 14 sogar sechs Züge und vier Schulen sieben Züge. Mit jedem Zug sind – bei einer Klassengröße von 23 Kindern – 92 Kinder mehr auf dem Schulhof.

Fünf neue Gymnasien bis 2027

Rabe sagte, künftig hätten Schüler sogar mehr Platz, weil die neuen Klassenzimmer mit über 80 Quadratmetern großzügiger seien. Allerdings wollte er sich nicht da­rauf festlegen lassen, dass das bestehende „Musterflächenprogramm“ in Gänze zur Anwendung kommt.

An weiterführenden Schulen, wo die Schülerwelle erst später ankommt, sind bis 2027 fünf Gymnasien und zwei Stadtteilschulen geplant. Auch hier reicht es nicht. Deshalb bekommen 24 Stadtteilschulen und 18 Gymnasien Klassenzüge hinzu.

Rabe sagte, in den 1970ern seien die Klassen mit 30 und mehr Kindern viel größer gewesen. Wären die Klassen heute noch so voll, bräuchte man kein „milliardenschweres Bauprogramm“.

Schule auch am Nachmittag

Allerdings lässt dies außer Acht, dass Grundschulkinder früher nur drei, vier Stunden am Vormittag in der Klasse saßen. Heute findet dort die Nachmittagsbetreuung statt, die Kinder verbringen den ganzen Tag auf dem Schulgelände.

Der Grundschulverband äußerte sich deshalb schon im Vorwege kritisch zu den Ausbau-Plänen. Bei manchen Schulen bedeutete dies eine Verdoppelung der Schülerzahlen. Es sei zu befürchten, dass Ruhe- und Begegnungsplätze, die im Ganztag immens wichtig seien, zu Klassenräumen umfunktioniert würden und durch Zubauten die “zum Teil schon jetzt beengten Außenflächen noch weiter eingeschränkt werden“.

„Enger Zeitplan“

Anna Ammonn von der Gemeinnützigen Gesellschaft für Gesamtschule (GGG) kritisierte die Ausrichtung des Sepl. Im Zentrum müssten auch die „Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Schülerinnen und Schüler stehen“, sagt die frühere GEW-Vorsitzende. Gerade Stadtteil- und Grundschulen bräuchten „Überschaubarkeit und Geborgenheit“. Stattdessen würden diese „immer größer geplant“.

Rabes Vorstoß könne „bei diesem engen Zeitplan nur fehlgehen“, sagt auch die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus und warnte vor einem “Scheinbeteiligungsverfahren“. Die Linke will deshalb in der Bürgerschaft beantragen, dass „regionale Bildungskonferenzen“ in den Stadtteilen aktiviert werden. Der Senator, so Boeddinghaus, dürfe nicht „im Alleingang durchregieren“.

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