Halbherzige Gefängnisreform: „Moderne Ansätze“

Alles soll besser werden in Schleswig-Holsteins Gefängnissen, sagt die Landesregierung. Geld für eine Reform nimmt sie aber nicht in die Hand.

Wo inhaftierte Elternteile ihre Kinder besser treffen können: Justizvollzugsanstalt Neumünster. Bild: dpa

KIEL taz | Die Ministerin zückte das Messer: Plastikgriff, abgerundete Schneide – nein, besonders gefährlich sah die Tatwaffe nicht aus, die Lübecker Häftlinge Heiligabend bei einem Fluchtversuch einsetzten. Gleichwohl hatte der Vorfall Diskussionen darüber ausgelöst, ob alle Beteiligten korrekt gehandelt hatten. Doch, das hätten sie, erklärte jetzt die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) bei einer Pressekonferenz in Kiel.

Spoorendonk war wichtig, dass die nur Minuten dauernde Geiselnahme eines Gefängnisbediensteten nicht die geplante Reform des Strafvollzugs in Schleswig-Holstein beschädigt. Das Land will Vorreiter im Bereich des„familienorientierten Vollzugs“ werden, zudem sollen Häftlinge besseren Zugang zu Therapien und Ausbildung haben. Geld nimmt das Ministerium für diese Reform allerdings nicht in die Hand.

„Wir wollen keinen Kuschelvollzug“, sagte Spoorendonk, „sondern moderne Ansätze, die zu einer besseren Resozialisierung und damit der Verhinderung künftiger Straftaten führen.“ Und sie nannte Eckpunkte: Gefangene sollen auf die Zeit nach der Haft vorbereitet werden. Dazu soll es bessere Ausbildungen sowie Anti-Gewalt-Training und Hilfen besonders für Sexualstraftäter geben. Da passt es, dass der Täter-Opfer-Ausgleich, also die außergerichtliche Klärung der zivilrechtlichen Seite von Gewaltdelikten, schon direkt im Gefängnis stattfinden kann.

Der offene Vollzug, bei dem Häftlinge stundenweise in Freiheit sind, soll gestärkt werden. Hier habe Schleswig-Holstein Nachholbedarf, erklärte Justiz-Staatssekretär Eberhard Schmidt-Elsaeßer (SPD): Während bundesweit 17 Prozent der Häftlinge stundenweise Freigänger sind, sind es in Schleswig-Holstein nur acht Prozent. Aktuell sind von 150 Plätzen im offenen Vollzug 80 belegt. Anders als in einigen anderen Ländern soll in Schleswig-Holstein die Arbeitspflicht der Gefangenen aber bestehen bleiben.

Stolz ist Spoorendonk auf den Vorstoß, Gefangenen – in der Regel den Vätern – besseren Kontakt zu ihren Kindern zu ermöglichen. So gibt es in Neumünster einen Raum für Familientreffen. Dafür hatten sich die Häftlinge selbst eingesetzt, anfangs gegen den Widerstand der Gefängnisleitung.

In Kraft treten soll das neue Gesetz Ende 2015. Bis dahin gilt ein Bundesgesetz von 1976. Vieles, was nun in Paragrafen gegossen wird, sei bereits Praxis, sagte Spoorendonk. Das Gesetz enthalte „nicht viel Neues“.

Wie schnell das gewünschte „gute Haftklima“ umschlagen kann, zeigte der Vorfall in Lübeck: Am Weihnachtstag lockten vier Häftlinge einen Bediensteten in eine Zelle, zwei nahmen ihn als Geisel, liefen eine Treppe hinunter. Alarmierten Beamten gelang es, sie zu überwältigen. „Die Sache“, berichtete Schmidt-Elsaeßer, „war nach einer Viertelstunde unter Kontrolle.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.