Häuserkampf? Welcher Häuserkampf?: Besetzer gesucht

In Bremen gibt es noch Besetzungen, und das mit Erfolg. In Hamburg dagegen ist ihre große Zeit lange vorbei. Woran liegt das? Und gibt es inzwischen andere Strategien?

Selten geworden: Graffito an der Fassade eines besetzten, ehemaligen Studentenwohnheims in Göttingen. Foto: dpa

HAMBURG taz | In Hamburg geht nix mehr. Jedenfalls was Hausbesetzungen angeht. Ernst gemeinte, also nicht symbolisch inszenierte Besetzungen, sucht man in der jüngeren Geschichte vergeblich. Klar, Ausnahmen gibt es: Im Juni besetzten Jugendliche eine leer stehende Kirche in Rahlstedt, um dort ein Jugendzentrum aufzumachen. Mittlerweile werden sie dort geduldet.

Und es gibt das Gängeviertel, aber das ist ein Sonderfall: Das Gebäudeensemble in der Hamburger City wurde 2009 von Künstler*innen besetzt, die sofort in Verhandlungen mit dem Senat traten, der ihnen wohlgesonnen war. Zwar kämpfen die Nutzer*innen noch immer um das Eigentum an den Gebäuden, aber sie bekommen Geld vom Senat und sind ein wichtiger Tourismusfaktor für die Stadt. Um die Mittagszeit trifft man dort Männer und Frauen in Anzügen und Businesskostümen, die Quiche mit Salat essen und Tee von edlen Teebeuteln trinken.

Nicht ohne den Senat

Das Gängeviertel hat alles richtig gemacht: Denn nur so können Hausbesetzungen heutzutage in Hamburg überhaupt gelingen. Erfolgreiche Besetzungen gegen den Willen des Senats, bei denen die Besetzer*innen die Häuser im Notfall militant verteidigen, gab es seit 1989 nicht mehr. Das hat verschiedene Gründe.

Zum einen gibt es jetzt andere, legale Möglichkeiten, als Hausprojektgruppe zur Immobilie zu gelangen. Seit 1992 gibt es das „Mietshäuser-Syndikat“, das bei der Finanzierung und Organisierung von Hausprojekten hilft, und es gibt alternative Genossenschaften, bei denen neue Gruppen andocken können. Zwar bedeutet das einen hohen bürokratischen Aufwand und kostet viel Zeit und Nerven, aber es ist ungefährlicher und bequemer, als in ein heruntergekommenes leer stehendes Haus einzubrechen und sich eine von Anfang an verlorene Schlacht mit der Polizei zu liefern. Was passiert, wenn das doch jemand wagt, hat sich im Umgang mit der Besetzung der Häuser in der Altonaer Breiten Straße im August 2014 gezeigt.

Die Besetzung der beiden Häuser, die jahrelang leer gestanden waren, markierte den Auftakt zum Hausbesetzer*innenkongress „Squatting Days“. Obwohl es eine symbolische Aktion war, verteidigten die Besetzer*innen die beiden Häuser militant. Die Polizei brauchte mehrere Stunden, bis sie die sorgfältig verbarrikadierte Tür aufsägen und die Hindernisse im Treppenhaus überwinden konnte. Währenddessen warfen die Aktivist*innen Farbe, Böller, Holztüren, einen Feuerlöscher und ein Waschbecken aus dem Fenster. Was darauf folgte, war der aufwendigste Gerichtsprozess gegen linke Aktivist*innen der letzten Jahre.

Massive Anklagen

Die Anklage hatte es in sich: versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen, Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. An 46 Tagen verhandelte das Landgericht unter hohen Sicherheitsauflagen im Staatsschutzsaal. Am Ende kamen die zum Teil noch minderjährigen Aktivist*innen mit Bewährungsstrafen davon. Das Signal aber war deutlich: Hamburg duldet keine militanten Besetzungen mehr.

Den ganzen Schwerpunkt zu Hausbesetzungen gestern, heute und morgen Sie in der Wochenendausgabe der taz nord oder hier.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.