HSV im Bundesliga-Abstiegskampf: Ein Aussortierter lässt hoffen

Selbst viele HSV-Fans vertreten die Auffassung, dass nur ein Abstieg die Negativspirale der vergangenen Jahre durchbrechen könnte. Doch plötzlich gewinnt der HSV.

HSV-Fans im Stadion halten ihre Schale hoch.

Stehen sonst selten in der Sonne: Fans des Hamburger SV Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Fans des Hamburger Sport-vereins sind Sorgen und Kummer gewohnt. Ihr Klub taumelt seit Jahren an der Schwelle zur Zweitklassigkeit, hat große finanzielle Probleme, schmeißt gefühlt jedes halbe Jahr sein führendes Personal raus und lässt auch sonst kaum eine Gelegenheit ungenutzt, Spott und Häme Fußball-Deutschlands auf sich zu ziehen.

Viele sind der Meinung: Kein anderer Verein hat den Abstieg mehr verdient als der HSV. Selbst weite Teile der eigenen Anhänger vertreten die Auffassung, dass ein Neuanfang in der Zweiten Fußball-Bundesliga notwendig ist, um aus der Negativ­spirale der vergangenen Jahre auszubrechen.

Doch der HSV könnte sich am Ende dieser Saison wieder einmal selbst einen Strich durch diese Rechnung machen. Steht ihm das Wasser bis zum Hals, entfaltet er die meiste Kraft und fängt plötzlich an, Spiele zu gewinnen. So auch am Samstag gegen den ebenfalls abstiegsbedrohten SC Freiburg.

Es war kein schönes Spiel, sondern eines, bei dem man sich lange fragte, warum diese beiden Teams überhaupt in der Ersten Liga mitspielen dürfen. Von zwei schwachen Mannschaften war der HSV sogar die schwächere – zumindest in den ersten 45 Minuten. Die Gäste aus Freiburg hingegen ließen wie in ihren vorherigen Partien auch Großchancen ungenutzt. Erst verpasste Jannik Haberer die Führung, dann scheiterte Nils Petersen aus kurzer Distanz am guten Hamburger Torhüter Julian Pollersbeck.

Die Verteidigung des HSV hatte den Gegner zum Tore­schießen geradezu eingeladen. Zumal das taktische System von HSV-Trainer Christian Titz mit hoch stehenden Außenverteidigern und dem Spielaufbau über den Torwart für die Freiburger leicht zu entschlüsseln war. Freiburgs Pressing zwang den HSV zu vielen langen Abschlägen und provozierte zahlreiche Ballverluste. Nur sind Christian Streichs Freiburger derzeit zu selten in der Lage, mit dem Ball auch etwas anzufangen.

Ein technisch anspruchsvolles Tor

„Die erste Halbzeit war heute nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Freiburg hat uns gut angelaufen, wir haben es im Spielaufbau dagegen nicht gut gemacht. In der zweiten Halbzeit haben wir dann ein bisschen umgestellt und früh das 1:0 erzielt“, sagte HSV-Trainer Titz. Diesen Siegtreffer verdankte er einer Einzelleistung von Lewis Holtby, der mehrere Verteidiger stehenließ und den Ball technisch durchaus anspruchsvoll ins Tor beförderte.

Es passt zur Geschichte der letzten Jahre, dass mit Holtby ausgerechnet ein Aussortierter, einer, der keine Rolle mehr gespielt hatte und längst abgeschrieben war, im Abstiegskampf zu neuer Stärke findet und mit drei Toren in den letzten vier Spielen maßgeblich zum Stimmungsumschwung beigetragen hat. „Wenn ich das Vertrauen spüre, dann zahle ich es auch zurück“, sagt der 27-Jährige. „Ich habe trotz einer schweren Phase immer die Fresse gehalten und weiter professionell gearbeitet. Die Zweifler und Kritiker sind dabei eine pure Motivation für mich.“

Glück benötigt

Um sich in die Relegation zu retten, wird für den HSV neben mindestens zwei Siegen aus den letzten drei Spielen auch wieder eine große Portion Glück nötig sein. Eigentlich, so jedenfalls die einhellige Meinung, schien das Glück des HSV längst aufgebraucht. Doch ein diskussionswürdiger Platzverweis Mitte der zweiten Halbzeit gegen den Freiburger Caglar Söyüncü, während nur kurze Zeit vorher der verwarnte Matti Steinmann für ein klareres Vergehen nicht mit Gelb-Rot vom Feld musste, lassen Zweifel an dieser These aufkommen.

Die Ausgangslage für den Endspurt der laufenden Saison sieht so aus: Mit einem Sieg beim VfL Wolfsburg kann der HSV am nächsten Spieltag den Rückstand auf den Relegationsplatz auf nur noch zwei Punkte verkürzen. Torschütze Holtby sieht sich und seinen HSV sogar im Vorteil: „Aus psychologischer Sicht bin ich lieber der Jäger als der Gejagte. Denen, die noch vor uns stehen, kann ich nur sagen: In eurer Haut möchte ich nicht stecken.“

Das haben die anderen das ganze Jahr über die Hamburger gesagt. Doch sie alle haben sich offenbar erneut getäuscht. Dieser HSV ist so leicht nicht unterzukriegen.

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