Guttenberg-Protest auf der Straße: Das Volk fehlt

Sie machten es ganz wie ihr Vorbild: Erst kamen die großen Posen - dann eine schlechte Performance. Die Offline-Demos für Guttenberg blieben eine Randnotiz.

Für oder gegen Guttenberg? Jedenfalls eine der wenigen Offline-Demonstranten vor dem Brandenburger Tor. Bild: dapd

BERLIN/HAMBURG taz | Er hat es sich nicht nehmen lassen, heute selbst dabei zu sein: Die Brille, der Anzug, die Pomade im Haar. Das ist er, Karl-Theodor zu Guttenberg oder zumindest sein Double. Mit seiner Stephanie unterm Arm schreitet er tapfer umher, hier auf dem Hamburger Gänsemarkt, und er sagt: "Ich weiß jetzt, ich will Deutschland treu bleiben, weil Deutschland mir treu geblieben ist." Das passt an diesen Ort in Hamburg, an diesem Wochenende. Denn hier gibt es einige von diesen Deutschen, die ihm treu geblieben sind.

Karl-Theodor zu Guttenberg ist so etwas wie ein Hoffnungsträger für ihre Samstagsrevolution. Für den ersten echten Aufstand der schweigenden Mehrheit gegen die Hetzkampagnen der Meinungsmacher. Und er ist der Hoffnungsträger für einen Protest, der bei Facebook begann - und an diesem Samstag offline gehen will: Hier auf dem Gänsemarkt und dort vor dem Brandenburger Tor in Berlin, auf dem Münchner Rindermarkt, in Frankfurt und, natürlich, in Guttenbergs Heimatort Guttenberg. Hier soll er spielen: Der Aufstand der schweigenden Mehrheit. Das Volk fordert den Rücktritt vom Rücktritt des Exministers, das ist ein Novum in der deutschen Geschichte. Doch zugegeben: Das Volk fehlt.

500 Menschen stehen hier am Gänsemarkt. Das soll die Zentraleveranstaltung der bundesweiten Guttenberg-Demonstrationen sein. Aber wer hier auf wessen Seite steht, ist nicht ganz klar. Gut die Hälfte ist verkleidet und treibt Späße: Männer in Barbour-Jacken verteilen Doktortitel. Auf ihren Transparenten steht: "Schöne Herrscher braucht das Land" und "Haargel ist kein Verbrechen".

Auch vier ältere Damen mit Hut, Sonnenbrille, falschem Pelz und roten Clownsnasen im Gesicht fallen sofort auf. "Ich bin aus Blankenese", sagt eine mit spitzem Lächeln und zieht dabei jedes "e" übertrieben in die Länge. "Wir wollen Guttenberg zurück, wir brauchen einfach schöne Männer im Parlament", sagt sie. Und außerdem würde in Zukunft ohne ihn ein Showmaster in Afghanistan fehlen. Dann schreit sie in die Menge und hält ihr Plakat hoch: "Schönheit vor Wahrheit!".

Den Spott, der den Demonstranten entgegenschlug, nimmt der Veranstalter Christoph Bähnk gelassen. Der 21-jährige Vorsitzende der Jungen Union Geesthacht bewertet die einstündige Veranstaltung als Erfolg. „Wir erleben hier gerade Demokratie pur, und das ist auch völlig in Ordnung so“, sagt er. Ein bisschen ärgere es ihn aber trotzdem, dass die Gegner ihre Demonstration nicht angemeldet hätten.

Nadezda Bender, eine ältere Dame aus Serbien, betrachtet die Menge von der Seite. "Guttenberg war so ein eloquenter und charmanter Politiker", sagt sie. Sie mag ihn. Doch Nadezda Bender hat ein bisschen die Übersicht verloren: Die Demonstranten dort hält sie allesamt für Anhänger Guttenbergs. Sie freut sich über so viele Unterstützer. Und ihre Augen werden feucht.

Nadezda Bender hat da etwas gemeinsam mit Heidemarie Brauer, 67, mit Michael Donner, 70, und mit Irmgard Opitz, 62. Die drei stehen an diesem Samstag in Berlin am Brandenburger Tor. Sie sind die Generation Offline-Protest. Und damit stehen sie hier ziemlich alleine. Ein paar dutzende Gleichgesinnte sind noch da, meist über 60.

Über Facebook hatten Netzaktivisten für Samstag zu den Demos aufgerufen. "Wir wollen Guttenberg zurück" sollen dort schon über 500.000 Menschen gefordert haben. 71 Prozent der Menschen sollen nach einer mehr oder weniger seriösen Focus-Umfrage unter gerade einmal 501 Menschen die Wiederkehr Guttenbergs fordern.

Die Brauers, Donners und die Opitze, das könnten die Gesichter dieser schweigenden Mehrheit sein. "Politiker mit Format" will Brauer haben. "Nicht diese weichgespülten Wischiwaschimenschen", sagt Donner. Ein Zeichen setzen will er, "gegen diese gigantische Hetzkampagne." Und Irmgard Opitz denkt an sich, an ihren Vater und an ihren Sohn. "Mein Sohn war in Afghanistan. Scharping planschte nur mit seiner Liebsten im Pool. Aber Guttenberg kümmerte sich um die Soldaten."

Brauer, Donner, Opitz wollen Guttenberg zurück. Doch sie stehen in Berlin nur in der zweiten Reihe und ihre Facebook-Freunde sind zu Hause geblieben.

Da vorne, in der ersten Reihe, da steht die "Monarchohedonistische Front" vor dem Brandenburger Tor und schreit: "Gebt dem Gutti sein Land zurück: Amt! Für! Amt!" Die Spaßbolde aus der undogmatischen Linken, sie beherrschen hier das Bild an diesem Tag. "Wir sind Dein Volk" steht auf ihren Plakaten. Und "Copy + Paste = Kommunismus".

Die Masse der Guttenberg-Fans, die muss gerade online sein. Und dort, online, ist die Welt irgendwie leichter. In dieser Welt heißt Sebastian Clören zum Beispiel "Sebastian Kaspaklatsche".

Der 25-Jährige ist der Gründer der Facebook-Gruppe "Karl-Theodor zu Guttenberg soll bleiben". Und er ist so etwas wie der Hauptorganisator des Facebook-Protests an diesem Samstag.

Doch der Hamburger, der eine Ausbildung zum Mediengestalter macht, hat die Übersicht verloren. "Das gebe ich ganz ehrlich zu. Ich habe stark übertrieben", sagt er. Er wollte für Guttenberg auf die Straße gehen, Massen mobilisieren via Facebook, zum ersten Mal im Leben politisch werden. Erst sprach er von 500.000 Menschen, mit denen er am Samstag auf Deutschlands Straßen rechne. Dann sprach er von 50.000 Menschen. Am Ende kamen, wenn überhaupt, höchstens 5.000, in ganz Deutschland. Und von denen war die Hälfte nur zum Spott da. In Hamburg kamen 500, in Berlin, München, in Frankfurt und Rosenheim einige hundert. Und in Guttenbergs gleichnamigem Heimatort Guttenberg, da kamen immerhin bis zu 2.000 Menschen. Die meinten es wenigstens ehrlich.

"Peinlich", findet das Clören. "Klicken können die Leute, aber auf die Straße gehen sie nicht", sagte er am Samstag der taz. Nein. Auch Clören, der Hauptorganisator, war am Samstag selbst nicht bei der Demo. Er musste auf sein Kind aufpassen.

Die Idee war gut: Karl-Theodor zu Guttenberg, das hätte vielleicht eine Samstagsrevolution werden können, so ein echter großer Facebook-Protest. Da wäre das Volk einmal da gewesen für seinen Minister.

Doch es blieb am Samstag lieber im Netz. Und selbst dort wird inzwischen von einigen bezweifelt, ob es sie überhaupt gibt. Denn der Netzaktivist Sascha Lobo wittert Ungereimtheiten bei der Gruppe "Wir wollen Guttenberg zurück", die in den letzten Tagen aufgrund ihrer rasant steigenden Fangemeinde für viel mediales Aufsehen gesorgt hatte. In seinem Blog erörtert Lobo, weshalb er die "sehr konstante Steigerung der Fan-Zahlen" sehr "merkwürdig" findet - und ruft die Netzgemeinde auf zu prüfen, ob es sich bei der Fan-Site nicht auch um ein Fake handeln könnte.

Sowohl von Facebook als auch von den möglichen Initiatoren der Gruppe war am Samstag keine Stellungnahme zu erhalten. Nur die Fangemeinde des Exministers, die setzte am Samstag ein deutliches Zeichen, ganz in der Tradition des Freiherrn: Erst kamen die großen Posen, dann eine schlechte Performance.

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