Grüner über Rechte im EU-Parlament: „Nicht ausreichend kohärent“

Nationalisten und Populisten werden sich kaum einigen, glaubt Jan Philipp Albrecht. Gefährlich sei, wie die Konservativen ihre Konkurrenz kopieren.

Haben noch einiges vor: Marine Le Pen und Geert Wilders. Bild: dpa

taz: Herr Albrecht, bislang gab es rechts der Konservativen keine Fraktion im EU-Parlament. Wird das jetzt anders?

Jan Philipp Albrecht: Die Chancen stehen gut. Die Rechten haben relativ viele Mandate errungen. Es ist aber nicht abzusehen, ob es dem Bündnis um Geert Wilders und Marine Le Pen tatsächlich gelingt, die nötigen sieben Parteien zusammenzubringen. Falls ja, wäre eine Fraktion mit 35 bis 50 Abgeordneten denkbar.

Wie könnte deren politischer Konsens aussehen?

Die Differenzen der Rechten sind deutlich, auch wenn sie sie im Wahlkampf überspielt haben. Eine populistische Partei wie die von Geert Wilders kann in den Niederlanden nicht offen homophob und antisemitisch sei. Andere verpacken ihre Islamophobie in Kritik an der Türkei, wie der Däne Morten Messerschmidt. Der FN spielt mit islamfeindlichen und antisemitischen Tendenzen, während Parteien wie die griechische Goldene Morgenröte oder die NPD Kontakte in rechtsextreme Kameradschaften und ins kriminelle Milieu haben. Die Rechten werden da größte Schwierigkeiten haben, sich zu einigen. Das war in der Vergangenheit schon so: Als Reaktion auf den Beitritt von Rumänien und Bulgarien konnte die italienische Postfaschistin Alexandra Mussolini vorübergehend eine rechte Fraktion bilden. Die hielt nur ein Jahr.

Taugt die Betonung des Nationalen als einigender Faktor?

Theoretisch ja. Es gab ja diese Versuche, einen nationalistischen Block im EU-Parlament zu bilden, der antiglobales Gedankengut teilt, für „Souveränität“ und „Tradition“ eintritt, den Völkern „Identität zurückgibt“. Auch die Abgrenzung gegenüber nichteuropäischen Völkern kann da als verbindender Faktor ins Spiel kommen. Ein solches Projekt ist aber sehr schwierig. Die politischen Botschaften sind dazu national sehr unterschiedlich und nicht ausreichend kohärent.

Außer der nationalistischen Aufladung hätte eine rechte Sammlungsbewegung noch eine weitere politische Option: die EU abwickeln.

Die rechten Abgeordneten werden sich nicht an solchen gemeinsamen Projekten abarbeiten. Sie werden, wie bisher, ihre Kapazitäten nutzen, um ihre nationalen Parteien zu stärken. Auf der nationalen Ebene wird das „zurück zur nationalen Idee“ sicher thematisiert. Aber in Straßburg werden erfahrungsgemäß keine Ressourcen aufgewandt, um ein solches Anti-EU-Projekt tatsächlich aufzubauen. Die Klientel der Rechtsparteien steht der europäischen Integration zu ablehnend gegenüber, als dass sie solche Bemühungen honorieren würden.

31, grüner EU-Abgeordneter, hat 2013 eine Studie zu rechten europäischen Parteien herausgegeben.

Wie werden die Konservativen auf das Erstarken der Nationalisten reagieren?

Es war schon im Wahlkampf zu beobachten, wie die konservativen Parteien versucht haben, den Populisten den Rang abzulaufen, indem sie ihren Forderungen Raum gaben. Sie sind ihnen nicht entgegengetreten, sondern haben versucht, ihre Klientel anzulocken. So wie sie wohl auch künftig ihre Politik im Parlament deutlich nach rechts rücken. Vielleicht wird sie das sogar spalten. In jedem Fall ist die Anpassung an die Rechten ein riesiger strategischer Fehler.

Warum?

Dass die jeweiligen Konservativen versucht haben, sich den Populisten anzupassen, ist der Grund, warum die UKIP, der FN und die FPÖ so dazugewonnen haben. Die Leute denken sich: Warum soll ich die Kopie wählen? Da stimme ich doch lieber gleich für das Original. Denn was die sagen, scheint ja zu stimmen – sonst würden die etablierten Parteien ihnen ja nicht nach dem Mund reden. So schießen die Konservativen sich selbst in den Fuß.

Wie ist der wahrscheinliche nächste Kommissionspräsident Juncker da einzuschätzen?

Juncker hätte klar machen müssen, dass seine Fraktion – die EVP – solchen Parteien kein Zuhause bietet. Stattdessen war sie offen etwa für die Partei Berlusconis oder die ungarische Fidesz. Juncker hat den etablierten politischen Raum für sie zugänglich gemacht. Das ist verantwortungslos.

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