Grünen-Sprecherin über Wohnungsnot: "Da rollt eine Problemlawine auf uns zu"

In Deutschland steigen die Mietpreise und die Wohnungsnot wächst. Die Grünen-Sprecherin Daniela Schneckenburger über Kapitalfonds auf dem Wohnungsmarkt.

Auch so ein Problem: Durch zum Teil illegal vermietete Ferienwohnungen geht Wohnraum für die Städter verloren. Bild: dpa

taz: Frau Schneckenburger, Forscher prognostizieren einen rasanten Anstieg der Wohnungsnot. Wo sind die Probleme am größten?

Daniela Schneckenburger: In den Städten, besonders den Ballungsräumen. Trotz schrumpfender Gesamtbevölkerung wächst dort die Zahl der Haushalte, weil sich Lebensformen verändert haben. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Haushalte in den ländlichen Regionen und in Ostdeutschland ab. Beides verursacht Kosten.

Hat die Politik das Thema verschlafen?

Nein, zumindest nicht in Nordrhein-Westfalen. Wir haben unter Rot-Grün in NRW eine Enquete-Kommission, die sich mit Private Equity Fonds auf dem Wohnungsmarkt befasst.

Solche Kapitalfonds haben in Deutschland bereits über 1,2 Millionen Mietwohnungen aufgekauft. Mit welchen Folgen?

Da rollt eine richtige Problemlawine auf uns zu. Die Mieten steigen, Investitionen in Instandhaltung bleiben aus, Hausverwaltungen wechseln häufig. Besonders in Regionen, wo der Druck auf dem Wohnungsmarkt steigt, können Mieter kaum aus solchen Wohnungen ausziehen, weil es keine Alternativen gibt. Darunter leiden ganze Stadtteile.

Die 52-Jährige ist Sprecherin der Grünen für Wirtschaft, Bauen und Wohnen und Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

Was wollen sie dagegen tun? Den Fonds verbieten, Wohnungen zu kaufen?

Man muss auf Bundesebene prüfen, wie man Weiterverkäufe zumindest erschweren kann. Und existierende Gesetze zur Wohnungsaufsicht auf die neuen Probleme ausrichten. Aber wir müssen auch auf Empfänger von Arbeitslosengeld II schauen.

Inwiefern?

Sie sind häufig die wichtigsten Mieter der Fonds, weil das Geld zuverlässig vom Arbeitsamt aufgebracht wird. Und wenn Wohnungen durch diese Investoren systematisch vernachlässigt werden, sollte eine Kommune überlegen, ob die Wohnung noch angemessen ist und es rechtfertigt, dass die Kosten in voller Höhe gezahlt werden. Gemeinsam mit den Mietern könnte man die Fonds zwingen, bessere Wohnbedingungen zu schaffen.

In den letzten Jahren ist viel öffentlicher Wohnraum verkauft worden. War das ein Fehler?

Ja, auch strategisch. Man gibt ein Steuerungsinstrument aus der Hand, das nicht nur wegen der Wohnungsnot, sondern auch für die Stadtentwicklung entscheidend wichtig ist.

Wie überzeugt man überschuldete Kommunen davon?

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, Wohnungen dürfen darum kein Spekulationsgut sein. Für die Kommunen wird ein Verkauf an Private Equity Fonds langfristig teuer, weil Probleme und Folgekosten entstehen, um die sich die Gemeinschaft kümmern muss. Wir müssen stattdessen Modelle suchen, um öffentliches Wohneigentum zu erhalten, beispielsweise über Bürgerbeteiligungen am kommunalen Wohnungsbau.

Wie hat sich die Finanzkrise auf den Wohnungsmarkt insgesamt ausgewirkt?

Private Anleger, auch Kleinanleger, kaufen vermehrt Immobilien. Und die Weiterverkäufe von Wohnraum durch Private Equity Fonds steigen wieder, nachdem sie 2008/2009 zur Hochzeit der Krise massiv eingebrochen waren.

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